Studien
 
Reichenbach zur Zeit des Tabellarischen Verzeichnisses von 1769 (Teil 8):
Bürger und ihre Güter - Draußen am Heselbacher Weg
 
8.1 Johann Peter Weisser, Maurer / Johann Jacob Schwank, Taglöhner (Haus 59)
8.2 Johann Georg Fahrner, Schneider (Haus 63)
8.3 Johann Michael Hornberger, Maurer (Haus 64)
8.4 Johannes Haist, Nachtwächter und Totengräber (Haus 66)
 
Die bauliche Situation draußen am Heselbacher Weg zur Zeit des Tabellarischen Verzeichnisses kann so erschlossen werden: Das Haus, das später die Nummer 64 tragen wird, ist altberechtigt, also sehr wahrscheinlich vor 1755 entstanden; und von den Häusern mit den späteren Nummern 59 und 63 kennen wir die Entstehungszeit (1760). Auf der Suche nach einem vierten Haus, das dem Nachtwächter und Totengräber Johannes Haist zugeordnet werden kann, stößt man mit einiger Zuverlässigkeit auf das Haus 66 am Fuß des Igelsberger Kirchwegs.

In diesem Teil zu erwähnen, obwohl nicht genau am Heselbacher Weg gelegen und nicht als Bürgerhaus errichtet, ist auch die Erlensägmühle (spätere Nummer 50), deren Bau 1756 vom Gastmeister Franz Jacob Klumpp in Angriff genommen wurde (vgl. dazu auch 3.7). Sieht man von der Sägmühle ab, dann sind im folgenden vier Häuser und ihre Besitzer zu betrachten.

 
8.1 Johann Peter Weisser, Maurer /
Johann Jacob Schwank, Taglöhner
Haus 59
 
1769 besitzen (Johann) Peter Weisser und (Johann) Jacob Schwank zusammen ein Haus und dazu zwei Viertel Land. Der Maurer Johann Peter Weisser (auch: Weißert; 1715 - 1794, F 820) ist in Untermusbach geboren und zunächst ansässig in Igelsberg, bevor er 1755 Reichenbacher Bürger wird (XXVII). Im August 1760 bemüht er sich um den Kauf von "2 bis 3 Vrtl. Cl. (Viertel Clösterlichen) Wildfelds zu Erbauung eines Häußlens, und Anlegung eines Grundbirnen Ländlens". Noch im selben Monat werden Kauf- und Baugesuch genehmigt, das Wildfeld liegt "am Heeselbacher Weeg ringsum der Closters Allmand" (LIII; auch: XXXVI). Damit wird wahrscheinlich, dass Johann Peter Weisser kurz nach 1760 über ein eigenes Haus in Reichenbach verfügte.

Das Tabellarische Verzeichnis nennt aber mit dem Taglöhner Johann Jacob Schwank (* 1743, F 498) einen zweiten Besitzer. Dieser ist seit 1768 verheiratet mit Sophia Salome Streb (1749 - 1790), einer unehelichen Tochter der Susanna Schmelzlen (1717 - 1772) aus Baiersbronn, die seit 1755 mit Johann Peter Weisser verheiratet ist. Johann Jacob Schwank ist also der Schwiegersohn der Susanna Weisser, geb. Schmelzlen. Aus der Ehe Schwank-Streb gehen zwölf Kinder hervor, dann - wahrscheinlich 1789 - verlässt der Vater die Familie. Sechs der Kinder sterben schon früh, zwei weitere 1795 im Waisenhaus. Von den restlichen Kindern verlassen zwei den Ort, so dass wir am Ende nur zwei Töchter in Reichenbach finden: Margaretha (1777 - 1835) und Maria Agnes (1768 - 1825), die 1791 Michael Finkbeiner (1760 - 1830, F 627), einen Taglöhner aus Heselbach, heiratet (L).

Die familiären Veränderungen schlagen sich im Handlohn- und Weglösebuch so nieder (XXII): 1789 besitzen (Johann) Peter Weisser und (Johann) Jacob Schwank jeweils ein Viertel "Mehfeld am Heselbacher Weeg und die Helfte von dem darauf erbauten Häuslen". Wohl gleich nach Aufstellung des Buches, ohne zeitlichen Vermerk, ist der Besitz Schwanks gestrichen (er hat ja die Familie verlassen) und (Johann) Peter Weisser zugeschlagen worden. Mit dem Vermerk 1791/92 ist dann Weissers Besitz an Michael Finkbeiner überschrieben worden.

Von den elf Kindern des Ehepaars Finkbeiner-Schwank sterben vier früh, nicht weniger als sechs wandern teils vor, teils nach ihrer Eheschließung nach Amerika aus; zurück bleibt nur die Tochter Catharina Jacobina Finkbeiner (1798 - 1856; L). Sie heiratet 1827 den Schuhmacher Johann Georg Stoll (* 1799) vom Haus 8 (vgl. 4.1), der um 1840 im Besitz des Hauses 59 ist - merkwürdigerweise zusammen mit seinen "leiblichen Kindern erster Ehe" (LII). Das ist insofern merkwürdig, als die Ehefrau noch lebt und eine zweite Ehe des Mannes durch die Kirchenbücher nicht belegt ist. Merkwürdig ist auch die Betonung der "leiblichen" Kinder. Dies alles könnte auf eine der nicht seltenen familiären Tragödien hinweisen, die wir betroffen registrieren, aber nicht deuten können.


8.2 Johann Georg Fahrner, Schneider Haus 63
 
Im November 1760 (Faksimile) bittet der Schneider Johann Georg (Hanß Jerg) Fahrner (1719 - 1782, F 607) aus Heselbach um "käufliche Überlassung eines halben Morgen wilden Feldes am Heselbacher Weeg von Reichenbach her" und um die "Concession ein Häuslein darauf erbauen zu dörfen" (LVI). Weil der Antrag im Dezember 1760 auch genehmigt wird, dürfen wir davon ausgehen, dass das Haus, das Johann Georg Fahrner 1769 besitzt und später die Nummer 63 bekommen wird, im Laufe des Jahres 1761 gebaut wurde. Zum Besitz der nur vierköpfigen Familie des Schneiders zählen des weiteren eineinhalb Morgen Land, ein Stück "Horn- und Rindvieh" und ein Schwein.

Johann Georg Fahrner ist seit 1742 verheiratet mit Anna Maria Baierbach (verschiedene Schreibweisen; 1715 - 1790) aus Neuenstein (Hohenlohe). Das Paar hat zwei Kinder, die Töchter Maria Magdalena (1743 - 1817) und Christina (1749 - 1809), die beide im Jahr 1776 heiraten. Die ältere Tochter, Maria Magdalena, vermählt sich mit dem Schneider Johann Peter Braun (1750 - 1803) aus Garrweiler, während die jüngere Tochter, Christina, den Bäcker Johannes Schwank (1745 - 1810) heiratet (L). Der Bäcker ist ein Sohn des Johann Jacob Schwank vom Haus 69 (vgl. 7.6). Vielleicht im Jahr der Hochzeiten, spätestens aber nach dem Tod des Johann Georg Fahrner (1782) übernehmen die Ehemänner der beiden Töchter den alten Besitz. 1789, im Handlohn- und Weglösebuch (XXII), besitzen demnach (Johann) Peter Braun und Johannes Schwank jeweils "die Helfte von 2 V. (Vierteln) im Hundsgrund worauf sein helftiges Haus erbaut". Der Hundsgrund, auch das geht aus dem Buch hervor, liegt am Heselbacher Weg (dort steht auch, wie wir gleich sehen werden - vgl. 8.3, das Haus 64 des Johann Michael Hornberger).

Um 1840 besitzen die beiden Söhne Johann Georg Braun (1778 - 1853) und Christian Braun (1780 - 1858), auch sie sind Schneider wie der Vater, das Haus 63 gemeinsam (LII). Die Familie Schwank scheint keinen Anteil mehr am Haus zu haben.


8.3 Johann Michael Hornberger, Maurer Haus 64
(Standort)
 
Zur Zeit des Tabellarischen Verzeichnisses besitzt der Maurer (Johann) Michael Hornberger (1734 - 1800, F 837) ein Haus, dazu gut vier Morgen Grund und Boden und zwei Stück "Horn- und Rindvieh". Weil das Haus, das später die Nummer 64 bekommen wird, altberechtigt ist, Johann Michael Hornberger aber aus Frutenhof stammt und kaum lange vor seiner Hochzeit (1760) nach Reichenbach gekommen sein konnte, kann er selbst nicht Bauherr des Hauses gewesen sein. Indes stammt seine erste Frau, Anna Margaretha Wetzel (1736 - 1770), aus Reichenbach (L). Deren Großvater, der Maurer Jordan Wetzel († 1733, F 715), hatte schon 1716 als Reichenbacher Bürger um "2 Morgen in dem sogenannten Grund und 1 Morgen in dem Hundsgrund zum Überbauen" gebeten (LIII). Während mit dem "Grund" ein Gewann im Südosten Heselbachs gemeint sein könnte (dort findet man auch den "Grundwald"), liegt der "Hundsgrund" zweifellos auf Reichenbacher Markung am Heselbacher Weg.

Dort, im Hundsgrund, könnte Jordan Wetzel also kurz nach 1716 sein Haus gebaut haben, das dann über den Sohn, den Maurer Franz Wetzel (1700 - 1765, F 1027), an die Enkeltochter und deren Mann, Johann Michel Hornberger, gekommen sein könnte (L). Als Hornberger 1765 seinerseits ungefähr einen Morgen wilden Feldes kauft, liegt dieses "unter- und oberhalb seinem Hauß im Hundsgrund am Heselbacher Weeg" (XXXVI). Damit ist die Lage des Hauses, das der Maurer 1769 besitzt, hinreichend genau beschrieben.

Im Handlohn- und Weglösebuch des Jahres 1789 tauchen nun zwar die gut vier Morgen Land, die schon 1769 in der Hand von Johann Michael Hornberger sind, wieder auf (darunter insgesamt gut drei Morgen im Hundsgrund), nicht jedoch das erwartete Haus (XXII). Die Erklärung, dass das Haus - wie sehr alter, noch auf die Klosterzeit zurückgehender Besitz - frei von Handlohn- und Weglöse gewesen sein könnte, scheidet wohl aus. Auch kann eine Zerstörung des Hauses durch einen Brand eigentlich keine Erklärung sein, zumindest dann nicht, wenn das Haus, wovon man wohl ausgehen muss, alsbald wieder errichtet wurde - dann wäre es durch einen der vielen Nachträge, die das Buch hat, auch aufgeführt worden. Es lässt sich also vorläufig keine Erklärung für das Fehlen des Hauses finden.

Auch im Falle des Hornberger-Besitzes gibt es zwei Nachträge: 1791/92 wird die eine Hälfte an den Sohn erster Ehe, Johann Christian Hornberger (1763 - 1815), überschrieben und 1792/93 die andere Hälfte an den Sohn Johann Georg Hornberger (1773 - 1823) aus der zweiten Ehe des Vaters mit Sybilla Haist (1732 - 1808). Viele Jahre später, 1810/11, tragen die beiden Stiefbrüder einen Rechtsstreit aus über die Nutzungsrechte an einem Brunnen (LVII); dabei wird deutlich, dass inzwischen jeder der Brüder ein Haus besitzt, und zwar Johann Georg das Haus 64 (mit einem Brunnen, der schon 1769 genannt wird) und Johann Christian ein Haus auf der anderen, westlichen Seite des Heselbacher Wegs, wahrscheinlich das Haus 58.

Das Haus 64 scheint dann über den früh verstorbenen Maurer Georg Friedrich Hornberger (1792 - 1838), dem Sohn des Johann Georg, an seine Kinder Matthias und Magdalena (L) gegangen zu sein, die der Kataster aus der Zeit um 1840 als Eigentümer des Hauses 64 ausweist. Das nicht vor 1792/93 erbaute Haus 58 ist dagegen im Besitz des Maurers Johann Georg Hornberger (1798 - 1867), einem Sohn des Johann Christian (LII).

Das alte Haus 64 wurde 1978 abgebrochen, das Grundstück ("Bergwiese") neu bebaut.


8.4 Johannes Haist, Nachtwächter und Totengräber Haus 66
 
Johannes Haist (1736 - 1812, F 331) ist - wie schon sein Vater Matthäus Haist (1702 - 1785, F 157 B) vom Haus 30 (vgl. Teil 6) - Nachtwächter und Totengräber in Reichenbach. 1769 besitzt er mit seiner dreiköpfigen Familie ein eigenes Haus, einen Garten und ein Feld von einem Viertel Morgen. Er ist seit 1765 verheiratet mit Elisabetha Schmelzlin (1737 - 1782) von Baiersbronn. Aus dieser Ehe gehen fünf Kinder hervor, aber nur ein Sohn, Johann Jacob Haist (1768 - 1843, F 522), erlebt das Erwachsenenalter und übernimmt den Beruf von Vater und Großvater. 1783, nach dem Tod der ersten Frau, schließt Johannes Haist eine zweite Ehe mit Anna Maria Rauß (1743 - 1824) aus Heselbach, die offenbar kinderlos bleibt (L).

1789 verfügt Johannes Haist, wie das Handlohn- und Weglösebuch belegt (XXII), nur noch über ein halbes Haus; es liegt "am Igelsberger Kirchweg". Die andere Hälfte ist im Besitz des Taglöhners Philipp Schneider (1736 - 1810, F 1177) aus Heselbach, der seit 1772 mit Rosina Schwank (1750 - 1812), einer Tochter des Johann Jacob Schwank vom Haus 69, verheiratet ist. Der Besitz des alten Haist ist mit dem Vermerk 1795/96 erwartungsgemäß überschrieben an den einzigen Sohn, Johann Jacob, der 1794 geheiratet hat (L).

Sucht man auf den alten Flurkarten aus der Zeit um 1840 nach einem Haus am Igelsberger Weg, dann kommt insbesondere das Haus 66 in Frage. (Für das gegenüber liegende Haus 65, zwischen Heselbacher und Igelsberger Weg, wird die Bauerlaubnis erst 1786/87 an den Nagelschmied Johann Martin Steiner erteilt - LIII; auch: XXXVI.) Doch finden wir im zugehörigen Kataster beim Haus 66 weder den Namen Haist, noch den Namen Schneider; als Besitzer des Hauses ist vielmehr der Taglöhner Adam Lambarth ausgewiesen (LII). Doch ist Adam (Friedrich) Lambarth (auch: Lampart; 1807 - 1865) der uneheliche Sohn von Agnes Finkbeiner (1779 - 1844) aus Baiersbronn, die seit 1817 die zweite Ehefrau des Johann Jacob Haist ist. Von den vier leiblichen Kindern Haists aus beiden Ehen überlebt nur der 1820 in der zweiten Ehe geborene Jacob Friedrich Haist das Kindesalter und gründet 1845 einen eigenen Hausstand (L). Ob und wie er abgefunden wurde, ist nicht erkennbar.

Und die Nachkommen Philipp Schneiders? In der Ehe mit Rosina Schwank werden nur zwei Töchter geboren: Christina, die 1794 mit 16 Jahren stirbt, und Juliana (1773 - 1849), die ledig geblieben ist und vielleicht ein Wohrecht im Haus 66 besitzt (L).

 
 
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Aktualisierung: 04/06
Der Buchstabe F mit nachfolgenden Ziffern verweist auf das Ortssippenbuch von G.Frey (1987)