Studien
 
Reichenbach zur Zeit des Tabellarischen Verzeichnisses von 1769 (Teil 2):
Die Gemeinde Reichenbach
 
2.1 Übersicht
2.2 Oberamtmann und Pfarrer
2.3 Die Wittfrauen
2.4 Die Beisitzer
2.5 Andere Einwohner oder Eigentümer
 
In diesem Teil der Studie soll zum einen eine Übersicht über die Gemeinde Reichenbach im Tabellarischen Verzeichnis gegeben werden, zum andern soll jenen Einwohnern gedacht werden, die keine Bürger Reichenbachs waren, also den Amtsträgern, den Wittfrauen, den Beisitzern und anderen. Den Bürgern Reichenbachs, also jenen Haushaltsvorständen, die das Bürgerrecht besitzen und den Kern der Gemeinde bilden, sind die Teile 3 - 8 der Studie gewidmet.
 
2.1 Übersicht  
 
Das Tabellarische Verzeichnis unterscheidet in einer Rubrik, die etwas missverständlich "Innwohner" genannt wird, die Haushalte der Bürger (es sind 45), der Wittfrauen (7) und der Beisitzer (8). Hinzu kommen die Haushalte des Oberamtmanns und des Pfarrers, die beide keine Bürger Reichenbachs sind, und der "Haushalt" der Calwer Holzkompanie. Insgesamt sind es 63 Haushalte, in denen 301 Einwohner ("Seelen überhaubt") leben. Das macht pro Haushalt knapp fünf Personen, wobei wir sehr große Schwankungen zwischen 18 Personen (im Haushalt des Gastmeisters) und einer Person (in sieben Haushalten) haben. Das Beispiel des Gastmeisters macht auch klar, dass zu einem Haushalt nicht bloß die Mitglieder der Familie, sondern auch die Bediensteten zählen.

Von den 38 Wohnhäusern, die es 1769 in Reichenbach gibt, sind 34 in der Hand von Bürgern, drei im staatlichen Besitz und eines im Besitz der Calwer Holzkompanie. Weil wir 45 Bürgerhaushalte haben, kann nicht jeder Bürger über ein eigenes Haus verfügen. Betrachten wir die Bürgerhaushalte näher, dann besitzen zwei Bürger, der Gastmeister und der Ochsenmeier, jeweils zwei Häuser, 27 Bürger jeweils ein Haus und sechs Bürger jeweils ein halbes Haus, während zehn Bürger ohne Hausbesitz sind. Sechs von ihnen, es sind ältere Väter oder Schwiegerväter, leben im Haus der Kinder; Vater und Sohn Eilber, die beiden Schulmeister, wohnen im staatlichen Schulhaus (Haus 26, vgl. 5.6); und zwei Bürger wohnen wohl in fremden Häusern zur Miete. Weil die beiden anderen Häuser im Staatsbesitz sehr wahrscheinlich vom Oberamtmann und vom Pfarrer bewohnt werden, muss es sich bei den gemieteten Häuser um Privatbesitz handeln. Daraus würde folgen, dass die Häuser 54 und 56, die 1769 wahrscheinlich von dem Schuhmacher Jacob Leitz (vgl. 7.2) und dem Taglöhner Johann Jacob Stockinger (vgl. 7.4) bewohnt werden, im privaten Besitz des Gastmeisters und des Ochsenmeiers sein müssen. Dokumente, die diese rechnerische Schlussfolgerung zusätzlich belegen würden, fehlen allerdings bisher.


2.2 Oberamtmann und Pfarrer  
 
Der Oberamtmann und der Pfarrer zählen zwar zu den Einwohnern Reichenbachs, sind aber, im Unterschied zum Schulmeister (vgl. 5.6), keine Bürger des Orts. Wahrscheinlich sind sie nominell Bürger ihrer Herkunftsgemeinden, in Reichenbach sitzen sie als Staatsbeamte. Amts- und zugleich Wohnsitz des Oberamtmanns ist der Westflügel der alten Klosteranlage, der später die Hausnummer 2 bekommt, Sitz des Pfarrers ist das wahrscheinlich nicht vor 1603 erbaute Pfarrhaus mit der späteren Nummer 46.

Christoph Friedrich Heller (* 1735, F 945) amtiert seit 1762 als Verwaltungschef in Reichenbach. Seine offizielle Amtsbezeichnung ist Oberamtmann - ein Titel, der erst für seinen Vorgänger, Justus Friedrich Clemens, wahrscheinlich bei dessen Amtsantritt 1755, eingeführt wurde. In der württembergischen Frühzeit bis in die Zeit des Lagerbuchs von 1668 trugen die leitenden Verwaltungsbeamten des Klosteramts den alten Titel Schaffner, danach die Amtsbezeichnung Schaffner und Amtmann.

Oberamtmann Heller stammte aus einer Beamtenfamilie und wurde 1735 in Weil im Schönbuch geboren. 1762, im Alter von 27 Jahren, trat er seinen Dienst in Reichenbach an und amtierte 44 Jahre bis 1806 - möglicherweise bis zu seinem Tod (wir wissen nicht, wann er starb). Ein Jahr später ging das Klosteramt Reichenbach in dem neu gebildeten Oberamt Freudenstadt auf. Aus der 1763 in Reichenbach geschlossenen Ehe Hellers mit Juliana Friederika Engel (* 1744) aus Sulz gingen insgesamt zehn Kinder hervor. Zur Zeit des Tabellarischen Verzeichnisses besteht die Familie mit Eltern und vier Kindern aus sechs Personen (L). Der Haushalt des Oberamtmanns zählt dagegen nicht weniger als 12 Köpfe, umfasst also wohl auch eine namhafte Zahl von Bediensteten, Knechten und Mägden.

Über eigenen Haus- und Grundbesitz verfügt der Oberamtmann nicht, doch steht ihm, folgt man dem Lagerbuch von 1668 (XXXV), neben seiner Dienstwohnung im Westflügel die Amtsscheuer (Nummer 44) und an Ländereien der Klostergarten, der Kellersacker sowie Teile der Gastwies, der Brandau (des Brandackers) und des Waldackers zur Verfügung; insgesamt handelt es sich um ungefähr 24 Morgen. Standesgemäß besitzt der Oberamtmann ein Pferd sowie sechs Stück "Horn- und Rindvieh" und vier Schweine.

Pfarrer in Reichenbach zur Zeit des Tabellarischen Verzeichnisses ist Johann Ulrich Daniel (1722 - 1785, F 1179). Er wurde geboren in Klein-Gartach, studierte in Tübingen (Magister 1740) und übernahm 1750 die Pfarrei in Reichenbach, die er bis zu seinem Tod versah. Aus einer ersten, 1750 geschlossenen Ehe, gingen zwei Kinder hervor, die beide früh verstarben. In der zweiten, 1758 geschlossenen Ehe mit Louise Charlotte Gräther (1722 - 1981) wurde nur ein Kind geboren (L). Die Pfarrfamilie zählt 1769 demnach drei Köpfe, zu denen noch einmal drei Personen, wohl Bedienstete im Pfarrhaushalt, kommen.

Dem Pfarrer steht als Dienstwohnung das Pfarrhaus mit Scheuer und Pfarrgarten zur Verfügung. Die Ausstattung mit Feldern und Wiesen war im Lagerbuch von 1668 (XXXV) so geregelt worden, dass dem Pfarrer sechs Morgen der Gastwies zugewiesen waren und die Hälfte, das sind 4,5 Morgen, des Eselackers (die andere Hälfte gehörte zur Klostermühle - vgl. 3.2). Diese Regelung wurde später, vielleicht noch vor 1769 umgestellt. Hält man sich an den Primärkataster aus der Zeit um 1840, dann verfügt der Pfarrer über knapp fünf Morgen der Parzelle 146 östlich des Weiherdamms, die "Pfarrbesoldungswiese" genannt wird, sowie über die Parzellen 176 mit vier Morgen im hinteren Reichenbacher Tal und 281 mit gut fünf Morgen auf dem alten Eselacker; die Parzellen 176 und 281 tragen ausdrücklich die Widmung "Pfarrbesoldungsgut" (LII).


2.3 Die Wittfrauen  
 
Die Wittfrauen führen zwar einen eigenen Haushalt, haben aber in der Regel kein eigenes Wohneigentum, sondern leben bei den Kindern oder Schwiegerkindern. Dieses Wohnrecht ist wohl durch Herkommen gesichert, häufig auch durch Erbvertrag verbrieft. Das Tabellarische Verzeichnis führt für Reichenbach sieben Witwen auf.

Beginnen wir, wie das Verzeichnis, mit "Elisabetha, Burkhard Eilbers Wittib". Sie ist die (Maria) Elisabetha Lenz (1696 - 1769) aus Fellbach, die 1718 den Schuhmacher (Johann) Burkhard Eilber (1692 - 1760, F 463) geheiratet hatte. Der Schuhmacher besaß wahrscheinlich das alte Haus am Dornstetter Weg, das später die Nummer 8 bekam und 1769 in Händen des Sohnes Johann Adam Eilber (1729 - 1771, F 519) ist (vgl. dazu 4.1). Dort, beim Sohn, wird die Witwe wohl auch wohnen.

(Maria) Christina Nestle(n), geb. Wolff (1720 - 1797) aus Alpirsbach ist die zweite Frau des Chirurgen Johann Ulrich Nestle(n; 1716 - 1766, F 599), mit dem sie seit 1755 verheiratet war. Aus den beiden Ehen des Chirurgen leben zur Zeit des Tabellarischen Verzeichnisses jeweils drei Kinder; alle sind noch unverheiratet (Rosina, die älteste Tochter, wird im Sommer 1769 heiraten) und vier sind minderjährig. Dennoch besteht der Haushalt der Witwe nur aus drei Personen, das heißt: vier Kinder, wohl die älteren, leben anderswo. Offen ist auch die Frage, wo der Besitz des verstorbenen Mannes, so es ihn gegeben hat, geblieben ist und wo die Witwe 1769 wohnt - eigenen Hausbesitz hat sie jedenfalls nicht.

Die Witwe Magdalena Honecker (auch:Hohenecker), geb. Kleißler (?) aus Böffingen war die dritte Ehefrau des Nagelschmieds Ferdinand Honecker (1702 - 1768, F 334; die dort der dritten Frau zugeschriebenen Vornamen Regina Rosina sind allerdings falsch). Der Nagelschmied hatte das 1746 (wahrscheinlich zusammen mit dem Haus 15) abgebrannte Haus 16 wieder aufgebaut (vgl. 4.7), das 1769 im Besitz des Sohnes Johann Georg Honecker (1732 - 1781, F 738) ist. Dort wird wohl auch die Witwe mit ihrem bescheidenen Haushalt untergebracht sein.

Susanna Schaiblen, geb, Haist (1698 - 1770) aus Freudenstadt ist die Witwe des Schuhmachers Johannes Schaiblen (1699 - 1748, F 400). 1769 leben noch zwei ihrer Töchter in Reichenbach: Maria Magdalena (1736 - 1801), die ältere, wird 1770 den Zimmermann Andreas Jäckle (1748 - 1795, F 606) heiraten; Salome (1739 - 1811) ist seit 1760 verheiratet mit dem Zimmermann Jacob Grundler (1733 - 1800, F 298), der zunächst das Haus 51 bewohnte (vgl. 7.1) und 1769 die Erlaubnis zum Bau des Hauses 71 (vgl. 7.8) bekam. Es ist wahrscheinlich, dass die Witwe, deren Haushalt nur ihre Person umfasst, im Haus des Schwiegersohns wohnt.

(Anna) Barbara Wetzel (auch: Wezel), geb. Schatz († 1791) ist die Witwe des Maurers Franz Wetzel (1700 - 1765, F 1027), der 1735 wohl aus Anlass seiner Hochzeit das Haus seiner Eltern draußen am Heselbacher Weg, es wird später die Nummer 64 bekommen, übernommen hat. 1769 besitzt der Maurer Johann Michael Hornberger (1734 - 1800, F 837) aus Frutenhof dieses Haus (vgl. 8.3); er ist seit 1760 mit Anna Margaretha Wetzel (1736 - 1770), der Tochter von Franz und Anna Barbara Wetzel, verheiratet. Es ist anzunehmen, dass die Witwe im Haus von Schwiegersohn und Tochter wohnt. Ihr Haushalt ist mit vier Personen relativ groß: wahrscheinlich zählt die unverheiratete Tochter Anna Maria (* 1740) mit ihren beiden unehelichen Kindern dazu.

Johanna Schwank, verw. Walden, geb. Kohler (1707 - 1787) ist die Witwe des Bäckers Johann Jacob Schwank (1700 - 1758, F 302) und die Mutter des Bäckers Gottfried Wälde (ursprünglich: Walden; 1732 - 1806, F 497) vom Haus 69 (vgl. 7.6). Dort, beim Sohn, wird die Witwe wohl auch wohnen. Zu ihrem Haushalt, der drei Personen zählt, gehören wahrscheinlich die beiden jüngsten, noch unverheirateten Töchter Rosina und Margaretha.

Barbara Reutter ist wahrscheinlich die 1773 mit 81 Jahren in Reichenbach verstorbene Witwe des Glasmachers Johann Georg (Hanß Jerg) Reutter (1693 - 1755, F 1128) auf der Glashütte. Beider Tochter, Maria Dorothea Reutter (1723 - 1795), hat 1758 den Küfer Johann Ludwig Wurster (1731 - 1809, F 396) in Reichenbach geheiratet. Daraus ist zu schließen, dass die Witwe Barbara Reutter bis zu ihrem Tod im Haus des Schwiegersohns (Haus 72, vgl. 7.9) wohnt.


2.4 Die Beisitzer  
 
Die Beisitzer sind zugezogen und haben (noch) keinen eigenen Wohnbesitz, sie sitzen bloß bei, wohnen also zur Miete. Anders als die ortsansässigen Taglöhner, die oftmals auch nur zur Miete wohnen, besitzen die Beisitzer nicht den Status von Bürgern, sondern haben mindere Rechte und sind zum Beispiel von den Dorfämtern ausgeschlossen. Wenn zugezogene Personen Bürger werden wollen, müssen sie Hausbesitz erwerben. Dies scheitert nicht nur an der Armut der Beisitzer, sondern auch an ihrem oft nur befristeten Aufenthalt - sei es, dass sie befristet bestellt sind wie die Hirten, sei es, dass die Möglichkeiten der Berufsausübung begrenzt sind wie bei den Holzhauern und Sägern, die dorthin ziehen müssen, wo gerade viel Holz eingeschlagen wird. Es kommt aber auch vor, dass Beisitzer sich etablieren und Bürger werden.

Die Armut der meisten Beisitzer ist freilich erschreckend: Die Hälfte der acht Beisitzer-Familien, die wir 1769 in Reichenbach antreffen, ist nicht nur ohne Hausbesitz, sondern ohne jeglichen Besitz. Der Besitz der anderen Hälfte erstreckt sich zusammen auf einen Viertel Morgen Ackerland, zwei Stück "Horn- und Rindvieh" (wahrscheinlich zwei Ziegen), ein Schwein und ein Pferd, das wohl gewerblich genutzt wird.

Die geringe Bodenständigkeit vieler Beisitzer bringt es auch mit sich, dass sie oftmals schwer zu identifizieren sind. Schon die Schreibweisen ihrer Namen variieren stark. Das gilt zum Beispiel für den Salpetersieder (Johann) Martin Single (1733 - 1807, F 1764), dessen Namen auch Sengle, Senglin und im Tabellarischen Verzeichnis Senglen geschrieben wird. Johann Martin Single stammt aus Endingen, hält sich mindestens zwischen 1766 (Tod seiner Mutter) und 1769 (Geburt seiner Tochter) in Reichenbach auf (L) und wird später in Untermusbach (Pfarrei Grüntal) nachweisbar. Aus den Kirchenbüchern von Grüntal (ausgewertet im Ortsippenbuch von G. Frey u.a., 2002) gewinnt man auch die meisten Lebensdaten Singles.

Sein Beruf, der relativ selten ist, erleichtert die Identifizierung: Johann Martin Single ist Salpetersieder, das heißt er siedet eine Salpeterlauge, die er aus nitrathaltigen Stoffen - das sind meist eher unangenehme Stoffe - gewonnen hat. Am Ende des Siedevorgangs entsteht Kalksalpeter, der mit Hilfe von Pottasche in den begehrten Kalisalpeter umgewandelt wird. Kalisalpeter war noch im 18. Jahrhundert der unersetzliche Grundstoff zur Herstellung von Schießpulver. Erst mit der Einfuhr des "Chilesalpeters" (Natronsalpeter) verlor im 19. Jahrhundert das Salpetersieden seine Bedeutung und der "Salpeterer" seinen Beruf (mehr dazu bei O. Schoch, 1994).

Das Pferd, über das Single als einzigem Besitz verfügt, nutzt er wahrscheinlich für den Transport der Rohstoffe, des benötigten Brennholzes und des erzeugten Salpeters. Die Familie des Salpetersieders ist 1769 mit sechs Personen relativ groß, was vielleicht ein Zeichen dafür ist, dass die Produktion des begehrten Salpeters ein immerhin auskömmliches Leben bot.

1789 besitzt der Schreiner Ludwig Single kurzzeitig ein "Haus unten am Vogelherd" (XXII). Es handelt sich wahrscheinlich um das Haus 28, das mit dem Vermerk 1789/90 an die Witwe des Schmieds Christian Ehmann verkauft wird (vgl. auch 7.3). Ob und wie Ludwig Single mit dem Salpetersieder verwandt ist, ist nicht erkennbar.

Auch Michael Klingenstein (1695 - 1774, F 943) ist Beisitzer, er stammt aus Pfalzgrafenweiler und arbeitet in Reichenbach wahrscheinlich als Taglöhner. Dort hatte er 1722 Anna Maria Wetzel (1697 - 1773) geheiratet, die Tochter des Jordan Wetzel (F 715). Der Schwiegervater könnte der Erbauer des Hauses 64 draußen am Heselbacher Weg gewesen sein (vgl. 8.3), und vielleicht haben Michael Klingenstein und seine Frau dort gelebt. 1769 umfasst der Haushalt fünf Personen: neben dem Ehepaar wahrscheinlich die ledige Tochter Maria Agnes (1732 - 1810) und zwei uneheliche Kinder der bereits verstorbenen ältesten Tochter Margaretha (1722 - 1766). Die Familie besitzt weder Immobilien noch Vieh.

Der Holzhauer (Johann) Adam Sackmann (1718 - 1779, F 1235) ist in Reichenbach geboren, gleichwohl aber nur Beisitzer. Daraus ist zu schließen, dass der Vater gleichen Namens (1684 - 1753, F 1126), der als Schneider aus Huzenbach zugezogen war, den Bürgerstatus in Reichenbach nie erworben hat. Dennoch ist die Familie des Sohnes nicht ganz arm: sie verfügt wenigstens über ein Stück "Horn- und Rindvieh" und ein Schwein. 1769 zählt der Haushalt des Holzhauers, der 1761 - er war schon 43 Jahre alt - Christina Kaiser (1735 - 1778) aus Herzogsweiler geheiratet hatte, vier Personen: neben dem Ehepaar die beiden älteren Kinder. 1778/79 sterben beide Eltern, zurück bleiben drei Waisen, die im Reichenbacher Seelenregister des Jahres 1800 als ledige Personen im Alter zwischen 29 und 35 Jahren noch aufgeführt werden, danach aber nicht mehr (L). Wahrscheinlich haben sie Reichenbach verlassen.

(Johann) Adam Rothfuß (1725 - 1771, F 468) ist Wagner und stammt von den Höfen im Tonbach, wo sein Vater, Johann Ulrich Rothfuß (1691 - 1734/35), Hofbauer gewesen war. Nach dem frühen Tod (1729/30) der Mutter, Eva Gaiser, heiratet der Vater mit Anna Maria Finkbeiner (1700 - 1774) ein zweites Mal, dann stirbt auch er. Zurück bleiben neun Kinder aus zwei Ehen, Johann Adam ist das fünfte. Das sind keine guten Perspektiven, vielleicht hat er den Hof schon früh verlassen; 1759 jedenfalls wird er in Reichenbach als Beisitzer angenommen (XXVII). Das geschieht zusammen mit der Annahme des Johann Jacob Hindenlang, der ebenfalls Wagner ist und 1769, als Bürger, Mitbesitzer des Doppelhauses 19/20 (vgl. 5.2). Vielleicht wohnt Johann Adam Rothfuß, der es nicht zum Bürger gebracht hat und völlig ohne Besitz ist, dort zur Miete. Sein Haushalt zählt mit Ehefrau Agatha Rothfuß (1730 - 1778) aus Baiersbronn, die er 1765 geheiratet hatte, und dem 1767 geborenen Sohn Johann Georg nur drei Personen.

Der Sohn, mit elf Jahren Vollwaise geworden und zeitlebens ledig geblieben, endet tragisch: 1836 wird er, nachdem er drei Jahre vermisst gewesen war, auf dem Scheuerleskopf erhängt aufgefunden. Zornig schreibt der Pfarrer ins Familienregister: "Er gehört leider zu dieser Rotte hiesiger Ungläubiger, die sich durch Trunk, Müßiggang und oft fast lebenslangen Verzicht des geistlichen Worts und der Kirche auszeichnen" (L).

Der Beisitzer Jacob Leitz (1703 - 1781, F 1117) ist ein Weber aus Warth. 1729 heiratet er in Baiersbronn Anna Catharina Mast (1695 - 1755) aus Heselbach und zieht wohl auch bald nach Heselbach, denn beider Sohn, auch er trägt den Vornamen Jacob, ist 1730 dort geboren. Nach dem Tod der ersten Frau heiratet Jacob Leitz 1756 ein zweites Mal, und zwar Johanna Gaiser (1713 - 1781) aus Baiersbronn. 1769 besteht der kleine Haushalt nur aus dem Ehepaar, das ohne Haus- und Grundbesitz zur Miete wohnt - vielleicht, wie der Sohn, im Haus 54 (vgl. 7.2).

(Johann) Jacob Wirth (auch: Würth; 1700 - 1781, F 698) ist ein Taglöhner aus Baiersbronn, der 1737 Catharina Barbara Stockinger (1714 - 1781) aus der Reichenbacher Schmied-Familie (vgl. 5.3) geheiratet hatte. 1764, er ist inzwischen 64 Jahre alt, bittet er um Genehmigung, ein Viertel Morgen "wilden Feldes" kaufen zu dürfen (LIII). Es ist ein ergreifendes Dokument: "Ich bin ein Mann, der stark dem Alter zu gehet, ein Weib und 3 Kinder hat, aber weder Hauß noch Feldgüter besitzt. Bisher habe ich mich und die Meinigen mit meiner Hand Arbeit einig und allein, wiewohl kümmerlich erhalten. Bey denen jezigen geldklammen Zeiten und theuren Victualien aber fällt es um so schwerer mich durchzuschlagen, als meine Kräfte merklich nachlassen, und ich wohl spüre, daß ich das Benöthigte zu erwerben immer weniger im Stand seyn werde. Mein Wunsch war daher schon lange Zeit auf ein Pläzlen Boden gerichtet, worauf ich selbst etwas pflanzen und mir die Nahrung damit erleichtern könnte." Dieser Antrag muss, zum Unterschied von einem weiteren, den er 1768 stellt (LIII), genehmigt worden sein, denn 1769 verfügt Johann Jacob Wirth über ein Viertel Ackerfeld.

Seinem Sohn, dem Taglöhner Johann Friedrich Wirth (1752 - 1815, F 687), wird es 1789/90 schließlich gelingen (XXII), ein halbes Haus "unterhalb der Vogelheerd am Thonbacher Weeg" zu erwerben. Das Haus, es handelt sich wahrscheinlich um das Haus 28, war zunächst im Besitz des Schreiners Ludwig Single (vgl. oben), ehe es von Christian Ehmanns Witwe gekauft und zur Hälfte an Johann Friedrich Wirth weiterverkauft wurde (vgl. 7.3).

Johann Georg (Hanß Jerg) Fuß ist Kuhhirt der Gemeinde Reichenbach. Nach altem Herkommen wurden die Hirten, es gab bis zu drei, jährlich neu bestellt (Lagerbuch 1668; XXXV: "Alle Jahre sollen ein Khüe- , Gußt- und Schweinhirt gedingt und angenommen werdten"). Natürlich war die wiederholte Bestellung der selben Person möglich, vielleicht sogar üblich. Früher oder später aber, so scheint es, zogen die Hirten weiter. So lässt sich auch erklären, dass wir von Johann Georg Fuß nur das wenige wissen, das im Tabellarischen Verzeichnis steht: Er hält sich 1769 mit noch einer Person, wahrscheinlich seiner Frau, in Reichenbach auf, Besitz an Immobilien oder Vieh ist nicht vorhanden. Sein Name kommt im Pfarrbezirk Grüntal, auch als Fueß oder Fuoß, öfter vor, vielleicht stammt er von dort (G. Frey u.a., 2002).

Jacob Großhans ist von Beruf Säger und lebt 1769 mit drei weiteren Personen in Reichenbach. Wenn er mit dem "Seeger" gleichen Namens identisch ist, den wir ungefähr zwischen 1750 und 1760 in Baiersbronn finden (G. Frey, 1986), dann stammt er aus Calmbach und ist um 1720 geboren. Im Reichenbacher Kirchenbuch (L) treffen wir auf (Anna) Barbara Großhans, die zwischen 1769 und 1778 drei uneheliche, früh verstorbene Kinder beerdigt und auf der Reichenbacher Sägmühle wohnt; sie könnte eine Tochter des Sägers sein. 1780 verstirbt in Heselbach ein fast zwölf Jahre altes Kind namens Johann Georg Großhans; wenn auch dieser Junge ein Kind der Anna Barbara Großhans ist, könnte dies als Zeichen gewertet werden, dass der Säger Großhans inzwischen nach Heselbach weitergezogen ist. Mehr als diese wenigen Spuren haben Jacob Großhans und seine Familie nicht hinterlassen.


2.5 Andere Einwohner oder Eigentümer  
 
Zu den großen Eigentümern in Reichenbach gehört der Staat, vertreten durch eine Einrichtung, die 1769 noch immer "Das Closter" genannt wird. Der unter dieser Rubrik versammelte Immobilienbesitz dient wahrscheinlich im wesentlichen der Alimentierung der staatlichen Bediensteten, also des Oberamtmanns, des Pfarrers und des Schulmeisters. Er umfasst die eingangs genannten drei Wohnhäuser und drei Scheuern, vermutlich die Amtsscheuer (Nummer 44). die Pfarrscheuer (Nummer 46) und den Kasten (Nummer 3), sowie knapp zwei Morgen Gartenland (insbesondere den Klostergarten und den Pfarrgarten) und ungefähr 42 Morgen Felder und Wiesen.

Zieht man zunächst das Lagerbuch von 1668 (XXXV) zu Rate, dann könnte sich der Bestand an Feldern und Wiesen erstrecken auf die Gastwies mit zwölf Morgen und den Kellersacker mit 7,5 Morgen sowie auf 4,5 Morgen vom Eselacker, gut neun Morgen vom Waldacker und drei Morgen auf der Brandau - das sind ungefähr 37 Morgen, also etwas weniger als 1769. Im Primärkataster aus der Zeit um 1840 (LII) ist der staatliche Besitz an Feldern und Wiesen, jetzt verwaltet vom "Königlichen Kameralamt Dornstetten", auf ungefähr 45 Morgen angewachsen. Zwar ist der staatliche Anteil an der Gastwies, wohl im Zusammenhang mit der Neuordung der Pfarrbesoldung, auf gut acht Morgen reduziert und der Anteil am Waldacker, der dem Oberamtmann zur Verfügung stand, ganz weggefallen, doch sind im hinteren Reichenbacher Tal neben der Parzelle176 ("Pfarrbesoldungsgut") weitere, früher wahrscheinlich bewaldete Feldstücke, insbesondere die Parzellen 174 und 178, hinzugekommen.

Obwohl für den Oberamtmann nach Auflösung des Klosteramts im Jahr 1807 nicht mehr gesorgt werden muss, sind die früher ihm gewidmeten Feldstücke außer dem Waldacker im staatlichen Besitz geblieben - jedenfalls bis in die Zeit um 1840. Der Schulmeister, der 1668 einen Anteil von drei Morgen an der Gastwies hatte, verfügt im Primärkataster über einen Teil der Brandau (Parzelle 367/1). 1769 hat er allerdings auch einen kleinen privaten Besitz an Grund und Boden (vgl. 5.6).

Eigentum in Reichenbach, und zwar Wiesen im Umfang von knapp elf Morgen, haben 1769 auch einige "Innwohner zu Heselbach, Röth und Igelsberg". Nicht erkennbar ist, um welche Wiesen es sich handelt und wer genau die Eigentümer sind.

Die Calwer Holzkompanie ist mit neun Personen, im wesentlichen wohl Holzhauern und Fuhrleuten, sowie mit 24 Pferden im Tabellarischen Verzeichnis registriert. Als Unterkunft dient ein Wohnhaus, eine Scheuer und ein Stall. Leider haben wir keine Anhaltspunkte zur Klärung der Frage, welches Wohnhaus gemeint sein könnte. Am ehesten kommt wohl das Haus 17 in Frage (vgl. 5.1)

 
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Aktualisierung: 04/06
Der Buchstabe F mit nachfolgenden Ziffern verweist auf das Ortssippenbuch von G.Frey (1987)