Studien
 
Die Frühzeit der bürgerlichen Gemeinde Reichenbach 1595 - 1668 (Teil 5):
Schaffner, Pfarrer, Schulmeister und Konventualen
 
1. Die Schaffner: Amt und Amtsinhaber

2. Pfarrer, Schulmeister und Konventualen

   
Im fünften Teil dieser Arbeit werden nun die Personen vorgestellt, die zwar in Reichenbach wohnen, aber keine Bürger der Gemeinde sind. Das sind die Schaffner sowie die Pfarrer, Schulmeister und Konvertualen. Dabei nutzen wir die Gelegenheit, bei der Vorstellung der Amtsträger auch auf ihre Position und Aufgaben einzugehen und so ein wenig die "Verfassung" des Klosteramtes nahe zu bringen.
 
1. Die Schaffner: Amt und Amtsinhaber

Vor 1595 war der Schaffner ein Beamter derjenigen, ursprünglich ausschließlich weltlichen Herren, die das Kastvogteirecht, also die Finanzaufsicht, über das Kloster ausübten. Dieses Recht besaßen die Häuser Baden und Eberstein, die zugleich Schirmvögte des Klosters waren, als Lehen des Bischofs von Straßburg (M. Eimer, 1931, S. 70 ff.). So gab es bis 1595 einen baden-ebersteinischen Schaffner. In württembergischer Zeit behielt der leitende Verwaltungsbeamte des Klosteramtes wohl aus Tradition diesen Titel bei, obwohl er eigentlich die viel weiter gehenden Aufgaben eines Amtmannes wahrnahm. Doch dieser Titel wurde zunächst nicht vergeben. Erst ab 1671, Johann Wilhelm Speidel ist der erste, tragen die leitenden Beamten des Klosteramtes den Titel "Schaffner und Klosteramtmann".

 Will man sich eine Vorstellung von der Breite der Aufgaben des württembergischen Schaffners in Reichenbach machen, dann muss man zuerst nach den Rechten und Pflichten des Herzogs fragen, dessen verlängerter Arm der Schaffner ist. Der Herzog von Württemberg ist im Klosteramt persönlich und zugleich Landesherr, Grundherr, Leibherr, Gerichtsherr und Kirchenherr. Dabei spielt es für unsere Betrachtung keine Rolle, über welche Hierarchie - kirchlich oder staatlich - der Herzog seine Aufgaben wahrnimmt, beim Schaffner laufen, wie beim Herzog, beide Hierarchien zusammen. Das heißt: die Macht des Schaffners ist umfassend. Sie ist so umfassend, dass in der Amtsstadt, anders als auf den Klosterdörfern, für einen Schultheiß kein Platz mehr ist. Versuchen wir, mit Hilfe der Regelungen im Lagerbuch von 1668 (XXXV) die Rolle des Schaffners zu umreißen.

Die zentrale Aufgabe der landesherrlichen Gewalt ist der Erhalt der staatlichen Ordnung nach innen und außen und das Erschließen der dazu erforderlichen finanziellen Mittel: Steuern und Abgaben. Das Lagerbuch unterscheidet jährliche (S. 151 ff.) und nicht jährliche Steuern (S. 157 ff.). Die jährlichen Steuern sind für die Klosterdörfer "auf Martini" (11. November) und für Reichenbach "auf Catharinae" (25. November) fällig - Herbststeuern also. Ein Relikt aus früheren Zeiten finden wir in der "Herbst- und Mayensteuer", die noch 1668 der Markgrafschaft Baden zusteht (S. 153). Zur Landesherrschaft gehört des weiteren das Recht zur Erhebung von Zöllen auf Feldfrüchte, Waren und Vieh (S. 139), aber auch des Standgelds während der beiden Reichenbacher Märkte (S. 140) und des sog. Umgelds auf Wein und Bier (S. 141).

Der Schaffner vertritt den Herzog des weiteren in dessen Eigenschaft als Grundherr, d.h. in einem weiteren Sinne als Eigentümer von Grund und Boden mit einem Anspruch auf Entgelt für überlassene Güter. Zu dem jährlich zu zahlenden Grundzins gehören Leistungen in Geld, aber auch in Naturalien (Hafer, Fastnachtshenne). Wird ein Besitz durch Verkauf oder Erbschaft weitergegeben, dann tritt der sog. Veränderungsfall ein, der zwei Abgaben auslöst, die "Handlohn und Weglösin" genannt werden (Belege an vielen Stellen, z.B. S. 219 ff.).

Ihre Wurzeln in der Grundherrschaft haben auch die Fronen, also die Dienstleistungen für einen Herrn: Ackerdienste, Vorspann, Hofdienste, Wege- und Brückenbau. Auch wenn nicht alle Fronen auf die Grundherrschaft zurückgehen oder mit ihr begründet werden, sondern später und aus anderen Anlässen auferlegt werden, sollen sie doch gemeinsam an dieser Stelle besprochen werden: Alle Bewohner des Klosteramts waren verpflichtet, jährlich je einen Tag dem Kloster zu heuen und zu mähen und zwar unentgeltlich - nur gegen "gebührenden Atz". Die Lehensbauern und die Meier hatten Vorspann (aus sechs Ochsen oder Stieren) zu leisten, um Wein aus den Weinbergen des Klosters von Oppenau nach Reichenbach zu fahren - dafür bekamen sie Atz und einen Gulden. Zur Erhaltung von Weg und Steg gab es für alle bezahlte Fronen: Handdienste von Männern wurden mit sechs Kreuzern, von Frauen mit zwei Kreuzern pro Tag vergütet; Fronfuhren brachten 24 x pro Tag ein. Schließlich gab es zahlreiche unentgeltliche Fronen im Einzelfall (S. 129 ff.).

Mit der Grundherrschaft historisch eng verbunden ist auch die Leibherrschaft. Man kann darüber streiten, ob sie im Klosteramt generell bestand. Durchweg galt jedenfalls der Sterbfall, der das Hauptrecht auslöste, also das Recht des Herrn auf das beste Stück Vieh bzw. bei fehlendem Viehbestand auf das beste Kleidungsstück des verstorbenen Besitzers (S. 121 ff.). Generell wurde im Klosteramt auch das sog. Abzugsgeld erhoben, das beim Wegzug aus dem Klosteramt fällig wurde (S. 128). Beide, Sterbfall und Abzugsgeld, gelten gemeinhin als Bestandteile der Leibherrschaft. Wenn das Lagerbuch gleichwohl bemerkt, dass das Hauptrecht "keine Verwandtnis" mit der Leibeigenschaft habe, dann weniger in der Absicht, eine gültige Definition zu geben, als vielmehr mit dem Ziel, die generelle Regelung von einer speziellen abzugrenzen. Es gab nämlich im Klosteramt auch Personen, die ein höheres Maß an persönlicher Unfreiheit zu ertragen hatten und in der Terminologie auch des Lagerbuchs Leibeigene genannt wurden. Sie mussten zusätzlich jährlich einen Leibzins zahlen und bei Verheiratung eine Scheibe Salz entrichten (sog. Brautlauf), des weiteren trat auch bei Frauen der Sterbfall ein (S. 127).

Der Schaffner vertritt den Herzog auch als Gerichtsherr im Klosteramt, wobei nur die "niedergerichtliche Obrigkeit" - wir würden sagen: Zivil- und Verwaltungssachen, das Lagerbuch nennt sie "Händel" - in Reichenbach liegen (S. 30 f.). Die Strafsachen bleiben dem "Malefizgericht" (Malefiz = Übeltat) in Freudenstadt vorbehalten (S. 28 f.). In vielen Angelegenheiten, insbesondere wohl in Verwaltungssachen, entscheidet der Schaffner allein; nur "nach gestalt und wichtigkeit der sachen" tritt das (Amts-) Gericht zusammen. Ihm gehören wohl drei (Laien-)Richter an, die aus dem Kreis der Lehensbauern kommen; den Vorsitz hat der Schaffner.

Das alte weltliche Patronat über die Kirche und ihre Einrichtungen hat sich nach der Reformation in Württemberg (wie auch in anderen protestantischen Ländern) zu einer - man darf wohl so sagen - Herrschaft über die Kirche weiterentwickelt: der Herzog von Württemberg ist in seinem Land auch Kirchenherr. Elemente der Kirchenherrschaft sind insbesondere das sog. Collaturrecht (das ist das Recht, die Pfarrer einzusetzen, S. 257 f.), die Aufsicht über die kirchliche Armenpflege (des Armenkastens in Reichenbach und der "Heiligen" auf den Dörfern, S. 27) und der Einzug der verschiedenen Zehnten.

Die Zehnten standen einst der Kirche direkt zu und dienten der Alimentierung der Geistlichen und dem Erhalt der kirchlichen Einrichtungen. Dafür sorgt nun der Herzog, nimmt aber im Gegenzug die Einkünfte aus den Zehnten in Anspruch. Insofern hat sich am Prinzip der Finanzierung wenig geändert. Im Klosteramt werden die folgenden Zehnten eingezogen:

  • der sog. große Fruchtzehnt "von allem, was der Halm trägt", also vom Getreide (S. 143 f.);
  • der "kleine Zehnt" von Obst, Rüben, Kraut, aber auch von Flachs und Hanf (S. 146 f.);
  • der "kleine lebendige Zehnt" von Füllen, Kälbern, Schweinen und Bienen (Honig und Wachs), der in Geld zu entrichten ist (S. 148).

Der "Heu- und Öhmdzehnt" wurde ursprünglich nicht erhoben, 1620 aber den neu angesiedelten Bürgern in Reichenbach auferlegt (S. 145).

Das Amt des Schaffners in Reichenbach ist mit etlichen Nutzungsrechten ausgestattet: Der Schaffner hat freie Wohnung im "vorderen gebäw" (Westflügel) des Klosters, zudem steht ihm eine große Scheuer beim Ochsentor zur Verfügung. Den großen Klostergarten von fast einem Morgen hat er "zum Dienst vergebens zu nießen", ebenso den Kellersacker, die Brandau und einen Teil (zwei Mannsmahd) der Gastwies. Für die Nutzung von gut sechs Mannsmahd des Waldackers bezahlt er den Vorzugszins von 10 fl.. Daneben steht ihm eine Besoldung zu, die sehr wahrscheinlich nicht nur in Geld, sondern auch in Naturalien erfolgt. Dabei ist der Schaffner von Steuern und Abgaben befreit (S. 93 ff.).

Vom Amt nun zu den Personen. Die Liste der Schaffner ist im Grunde bekannt, insofern gibt es nichts Neues. Doch einige ergänzende Informationen sind wohl möglich:

Johannes Gaiser ist der erste württembergische Schaffner in Reichenbach, der wahrscheinlich schon im Herbst 1595 sein Amt antritt. Davor war er, folgt man dem Württembergischen Dienerbuch (1963), 12. Comturischer Schaffner zu Rexingen (der Besitz dort gehörte einst dem Malteser Orden). Er amtiert in Reichenbach bis ins Jahr 1606, wahrscheinlich bis Georgii (23. April). An Georgii beginnt und endet das Rechnungsjahr, es ist auch der Termin für viele Bestellungen und Besetzungen. Das Schätzungsregister aus dem Jahr 1604 wurde von Johannes Gaiser erstellt und dem Nachfolger, wie dieser berichtet, am 17. September 1606 "von meinem Antecessore Johann Gaissern" übergeben. Johannes Gaiser ist inzwischen Bebenhausener Pfleger zu Tübingen im dortigen Pfleghof.

Neuer Schaffner ist Johannes Neuffer (†1654, F 2020). Er stammt, wie er selbst mitteilt (H. Rommel, 1968), aus Münsingen und ist wahrscheinlich noch sehr jung. Im Dienerbuch ist kein vorhergehendes Amt von Johannes Neuffer aufgeführt. Er amtiert bis 1625, dann bittet er um Befreiung vom Amt und schlägt seinen Bruder Jacob Neuffer als Nachfolger vor. In Stuttgart akzeptiert man Bitte und Vorschlag unter der Bedingung, dass Johannes Neuffer seinem Bruder als "inspector" zur Seite stehe. Diesen Vorgang können wir anhand eines schriftlichen Diensteides, "Staadt" genannt (Faksimile), rekonstruieren, den Jacob Neuffer am 9. September 1625 abgelegt hat (XV). Der Amtsantritt erfolgte wahrscheinlich nicht sehr viel früher, denn Jacob Neuffer wird in dem Schreiben als "neu angenommener Schaffner" bezeichnet. Des weiteren ist sein Bruder im Oktober 1624, als er ein Wildfeld auf dem Vogelherdt kauft (XIV), noch uneingeschränkt Schaffner. Im März 1626 dagegen ist Johannes Neuffer (er kauft erneut Land), dem Schreiben vom September 1625 entsprechend, "Closters Inspector" (XVI).

Es ist nicht erkennbar, warum Johannes Neuffer sich beurlauben ließ, gesundheitliche Gründe sind am wahrscheinlichsten. Er behält seinen Wohnsitz in Reichenbach bei, vielleicht um seinem Bruder als Inspektor nahe zu sein, vielleicht auch, weil er mit einer Rückkehr ins Amt rechnete. Unter den Liegenschaften, die Johannes Neuffer 1626 erwirbt, ist auch ein Viertel des Klostergartens (vgl. auch Teil 2.2). Dieser große Garten mit einer Fläche von 3 ½ Vierteln steht, wie wir gesehen haben, den Schaffnern kostenlos zur Verfügung; das Nutzungsrecht geht demnach 1625 an den neuen Schaffner Jacob Neuffer über. Will der alte Schaffner einen Teil des Gartens weiter nutzen, dann muss er ihn kaufen; dies geschieht 1626. Um diese Zeit erwirbt Johannes Neuffer auch die Klostermühle in Reichenbach (Teil 4.3). Er hat also offenbar nicht die Absicht, das Klosteramt zu verlassen.

Welche Pläne Johannes Neuffer auch immer gehabt haben mag, die Restitution des Jahres 1629 macht sie zunichte: der Schaffner und sein Inspektor müssen gehen. Jacob Neuffer kehrt 1633/34 für ein Jahr als Schaffner zurück. Johannes Neuffer wird später, wie H. Rommel (1968) berichtet, Schaffner in Merklingen; 1639 ist er, wie das Dienerbuch (1963) festhält, als gewesener Klosterschaffner zu Reichenbach in Tübingen immatrikuliert. Erst 1649, nach Krieg und Not, wird Johannes Neuffer noch einmal Schaffner in Reichenbach. Wie es scheint, amtiert er dort bis zu seinem Tod: am 8. Oktober 1654, Johannes Neuffer stirbt am 14. Oktober, ist seine zweite Frau Maria als "Frau Schaffnerin" noch Patin in Reichenbach. Allerdings ist der Tod des Schaffners im Reichenbacher Totenbuch nicht verzeichnet. Das Buch hat aber gerade im Jahr 1654 wohl erhebliche Lücken.

H. Rommel (1968) zitiert aus der inzwischen verschollenen Leichenpredigt, die Pfarrer Caspar Brender auf den verstorbenen Schaffner Johannes Neuffer hielt. Der Pfarrer hebt die Hilfsbereitschaft des Verstorbenen hervor und erinnert an die sehr großzügige Stiftung von 90 fl., die der Schaffner zusammen mit seiner ersten Frau Anna Maria gemacht hat. Aus den Zinsen der Stiftung sollte jährlich auf den Johannistag (24. Juni) Brot an die Armen ausgegeben werden. Stifter und Stiftung sind, wie andere auch, im Kirchenbuch von Reichenbach überliefert (L).

Noch einige Bemerkungen zum Bruder des Schaffners: Jacob Neuffer amtiert in Reichenbach von 1625 bis 1629 und dann noch einmal 1633/34, ehe die Schlacht bei Nördlingen das kurze protestantische Zwischenspiel beendet. Von 1630 bis 1633 wirkt Jacob Neuffer in Altensteig. Er stirbt 1635 (Dienerbuch).

Ab 1635 und wahrscheinlich bis 1648 haben wir einen katholischen "Amtmann" in Reichenbach: Johann Paulus Reudning (F 2026). In den Kirchenbüchern ist er allerdings nur bis 1641 belegt, für die Zeit danach findet sich andererseits kein Nachfolger. Johann Paulus Reudning stammt vielleicht, wie seine Frau Maria Cleophe, aus Freiburg (L).

Nachfolger des langjährigen Schaffners Johannes Neuffer wird 1654 Amandus Heinzelmann (F 2019), der seit 1649 schon als Schreiber des Klosteramtes tätig ist (Teil 3.4). Vielleicht war er damals schon als Nachfolger des in die Jahre gekommenen alten Schaffners ausersehen. Denn vor seinem Dienstantritt 1649 war er bereits, folgt man dem Dienerbuch, Klosterhofmeister in Offenhausen. In Reichenbach wirkt er bis Georgii 1661, er ist dort am 1. März 1661 letztmals Pate. Aus dem Taufbuch, sie ist vielfach Patin, kennen wir auch den Namen seiner Frau: Anna Catharina. Kinder des Ehepaars sind in Reichenbach nicht verzeichnet (L). Nach 1661 amtiert Amandus Heinzelmann in Urach, woher er wahrscheinlich auch stammt (Dienerbuch).

Neuer Schaffner in Reichenbach wird Veit Jacob Neuffer (F 2018). Die Spekulation liegt nahe, dass er verwandt gewesen sein könnte mit den beiden alten Schaffnern, doch gibt es dafür in Reichenbach keinen Beleg. Dort finden wir nur im Taufbuch den Namen seiner Frau als Patin: Regina Justina. Veit Jacob Neuffer bleibt bis 1664 im Amt, dann wird er, so das Dienerbuch, Baumeister auf dem Erlachhof (Bebenhausener Besitz und die Keimzelle Ludwigsburgs).

Der letzte Schaffner, der im Rahmen dieser Arbeit genannt werden muss, ist Johann Wilhelm Schlotterbeck (F 2003). Er ist verheiratet, wie wir dem Taufbuch entnehmen, mit Ursula Maria. In Reichenbach werden dem Ehepaar mehrere Kinder geboren, das erste gleich nach Amtsantritt des Schaffners im Juli 1664 (L). Johann Wilhelm Schlotterbeck amtiert in Reichenbach bis zum Jahr 1671, dann wird er Maulbronner Pfleger zu Knittlingen (Dienerbuch).

2. Pfarrer, Schulmeister und Konventualen

Pfarrer, Schulmeister und Konventualen in einem Abschnitt zusammenzufassen, erscheint gerechtfertigt: ersetzten sich doch Pfarrer und Konventualen wechselseitig, ergänzte doch der Schulmeister die Bildungsbemühungen beider. Denn sowohl Kloster als auch Pfarrhaus sorgten bis Mitte des 17. Jahrhunderts für eine vielleicht bescheidene, aber immerhin kontinuierliche Bildung der Dorfbewohner. Diese Bildung mag über die Unterweisung im christlichen Glauben nicht weit hinausgegangen sein, weckte im Einzelfall aber vielleicht den Wunsch, lesen und schreiben zu lernen. Wenn der junge Gastmeister Hans Mast 1620 offenbar des Schreibens kundig ist, dann mag er die Anleitung dazu noch von den Mönchen erhalten haben.

In dem kleinen Priorat in Reichenbach eine Klosterschule mit Unterricht in lateinischer Sprache zu vermuten, wäre allerdings unrealistisch. Wirklichkeitsnäher ist wohl die Annahme, dass das eine oder andere junge Talent, wenn die Umstände günstig waren, eine individuelle, am praktischen Nutzen orientierte Förderung erfuhr. Eine solche mag Hans Mast zugute gekommen sein. Erst später, wahrscheinlich nicht vor 1609 und noch nicht durchgängig, werden in Reichenbach die Bildungsbemühungen des Klosters und danach der Pfarrer durch das Wirken eines Schulmeisters ergänzt. Schon die württembergische Schulordnung von 1559 hatte die Schulmeister unter die Aufsicht der Pfarrer und der kirchlichen Hierarchie gestellt (O. Hammer, 1923, S. 162) - ein Verhältnis, das dann auch für Reichenbach bestimmend wurde.

Es war wohl nicht gerade eine blühende Einrichtung, das Priorat zu Reichenbach, das die Württemberger im Herbst 1595 besetzten. Als Tochterkloster (Priorat) der Benediktiner-Abtei von Hirsau ohnehin von bescheidenem Zuschnitt litt es das ganze 16. Jahrhundert hindurch, vielleicht eine Folge der Reformation, an personeller Auszehrung. Die 18 Chorstühle, von denen noch Pfarrer Grammer berichtet (L), waren wohl längst nicht mehr alle besetzt, wenn die Mönche (die Konventualen) ihre Andachten abhielten. Die genaue Zahl der Konventualen mit Prior, Subprior und Mönchen im Jahre 1595 ist nicht feststellbar, sie wird jedoch kaum zweistellig gewesen sein. Der Prior Johannes Hügel flüchtete mit einigen Kostbarkeiten aus dem Klosterschatz vor den Württembergern nach Horb. Einige Mönche blieben jedoch zurück und scheinen bis 1598 die "Administration" über das Kloster behalten zu haben, erst dann ging sie auf den Schaffner Johannes Gaiser über (diese Interpretation legt jedenfalls der "Extractus Actorum" von David Holder nahe; XVII). Die letzten beiden Konventualen verließen das Priorat erst im Jahr 1603, nur wenige Tage vor dem ersten protestantischen Gottesdienst in Reichenbach ("Extractus Actorum").

Dieser wurde am Himmelsfahrtstag (2. Juni) des Jahres 1603 von dem Pfarrer M. (Magister) Daniel Hitzler (1576 - 1635, F 2137) gehalten. Er stammte aus Heidenheim, studierte in Tübingen (Magister 1597), wurde 1603 in Reichenbach erstmals selbständiger Pfarrer, ehe er 1608 Stadtpfarrer in Freudenstadt wurde. Möglicherweise fiel er dem Kirchenrat, der obersten kirchlichen Behörde in Stuttgart, schon früh sowohl durch Geisteskraft als auch durch Tatkraft auf. Jedenfalls wurde er 1632 Propst der Stiftskirche in Stuttgart und gelangte so in eines der höchsten geistlichen Ämter, das die evangelische Landeskirche in Württemberg zu vergeben hatte. Nach der verlorenen Schlacht von Nördlingen (6. September 1634) flüchtete der Propst mit dem jungen Herzog nach Straßburg. Dort, im Exil, ist Daniel Hitzler 1635 gestorben (die persönlichen Daten alle unter F 2137).

Sein Nachfolger in Reichenbach war M. Bartholomäus Eberhard (1569 - 1633, F 2132) aus Nürtingen geworden. Nach dem obligatorischen Studium in Tübingen (Magister 1591) bekam Eberhard 1596 in Loffenau die erste Pfarrei, die er bis zu seinem Wechsel nach Reichenbach (1608) behielt. In Reichenbach wirkte er 14 Jahre bis 1622. Auf Reichenbach folgte die Pfarrei in Tailfingen (bei Herrenberg), wo Eberhard im Jahr 1633 wohl an der Pest verstarb (Daten: F 2132). Ein Gedenkstein für seine Mutter und zwei seiner Kinder, die in der Klosterkirche begraben sind, erinnert noch heute an die Amtszeit von Bartholomäus Eberhard in Reichenbach (H. Rommel, 1968).

In den Anfang der Amtszeit von Bartholomäus Eberhard fällt auch die Bestellung des ersten "deutschen" Schulmeisters im Jahr 1609: Matthäus Schwenk aus Glatten (G. Wein, 1982, S. 59). Dass es zuvor, namentlich zu Zeiten des Klosters, schon einen "lateinischen" Schulmeister in Reichenbach gegeben hat, muss bezweifelt werden. Es hat sicher Bildungsbemühungen des Klosters gegeben, aber dort lateinischen Unterricht oder gar eine "Lateinschule" zu vermuten, wäre wohl übertrieben. Über Matthäus Schwenk - sein Leben, seine Amtszeit - haben wir keine Informationen noch kennen wir seinen Nachfolger. Es ist auch nicht sicher, dass die Stelle des Schulmeisters durchgängig besetzt war. Auffallend ist, dass wir in den Kirchenbüchern von Reichenbach, die ab 1635 geführt werden, lange keinen Schulmeister finden. Erst 1648, im Totenbuch, bekommen wir einen Hinweis.

Zunächst aber zurück zur Pfarrei in Reichenbach: M. Johannes Knaus (1634, F 2070) aus Vaihingen/Enz hat mit Bartholomäus Eberhard das Amt getauscht, denn er war von 1618 bis 1622 Eberhards Vorgänger in Tailfingen und ist jetzt sein Nachfolger in Reichenbach. Er muss kurz vor 1575 geboren sein, wird 1595 Magister und war von 1603 bis 1618 Pfarrer in Pfalzgrafenweiler. In Reichenbach amtiert er bis zur Restitution im Frühjahr 1629 (Daten: F 2070). Dann kehren, mit einer kurzen Unterbrechung 1632 bis 1634, noch einmal für beinahe zwanzig Jahre die Konventualen zurück.

Unmittelbar nach der Restitution des Klosters, noch im April 1629, traf der neue Prior als "Administrator" in Reichenbach ein. Sein Name ist nicht mehr ermittelbar; er kam, wie die meisten der Brüder, aus St. Georgen und war nur kurz im Amt. Im September 1629 ist Rudolph Baumgartner aus Villingen, zuvor ebenfalls in St. Georgen, Administrator in Reichenbach (K. Schreiner, 1964/65, S. 312 ff.). Sein Nachfolger wird 1631 Benedict Rauch, der von Wiblingen kommt und 1635 dort Abt wird.

In den Jahren 1629 und 1630 finden sich, folgt man K. Schreiner, acht Konventualen in Reichenbach ein:

  • Jakob (oder Theoger) Gestlin aus Hüffingen, zuletzt Profeß (Mönch, der die Gelübde abgelegt hat) in St. Georgen;
  • Michael Kederer aus Villingen, zuvor ebenfalls Profeß in St. Georgen;
  • Maurus Blau, auch er Profeß von St. Georgen;
  • Baldung N., Nachname und Herkunft unbekannt;
  • Hieronymus Rainoldt aus Feldkirch (wahrscheinlich Vorarlberg), zuletzt Profeß in Weingarten;
  • Christoph Humler aus Gaisbeuren, zuvor Profeß in St. Georgen;
  • Romanus Hay, zuvor Profeß in Wiblingen;
  • Dominik Laymann aus Liebenau (bei Tettnang), zuvor Profeß zu Weingarten, wo er 1637 Abt wird (schon 1631 geht er als Prior nach Feldkirch).

Die Konventualen hatten sich kaum recht etabliert, da wendete sich das Blatt im Glaubenskrieg erneut: Unter dem Eindruck der siegreichen Schweden, die sich der protestantischen Sache in Deutschland angenommen hatten, kam es schon im Sommer 1631 zu Überfällen auf das Kloster (XLII), die in der Besetzung des Klosters durch den württembergischen Vogt von Dornstetten und der Vertreibung der Mönche gipfelten. An ihre Stelle trat als evangelischer Pfarrer M. Johannes Schmidlin (1655, F 2095), der seit 1627 Pfarrer in Baiersbronn gewesen war. In Tübingen immatrikulierte er sich 1618, d.h. er ist um das Jahr 1600 geboren, wahrscheinlich in Sindelfingen. 1635, nach seiner Vertreibung aus Reichenbach, hält er sich in Freudenstadt auf, dort sterben zwei seiner Kinder (H. Rommel, 1968), vielleicht an der Pest. Noch im selben Jahr wird Johannes Schmidlin Pfarrer in Kirchheim/Neckar und 1640 in Glatten (Daten: F 2095).

In Reichenbach waren nach der Schlacht von Nördlingen, nach der Besetzung Württembergs durch König Ferdinand III. und der Flucht des jungen Herzogs nach Straßburg wahrscheinlich im November 1634 die Mönche unter Führung Benedict Rauchs wieder eingezogen. Rauch bleibt, wie die Kirchenbücher von Reichenbach beweisen (L), Administrator bis Anfang Dezember 1635: er tauft letztmals am 1. Dezember. Er kann also erst zum Jahresende 1635 Abt in Wiblingen geworden sein.

Sein Nachfolger in Reichenbach wird Albert Gebhard. Er tauft 1635 als "Frater Albertus" und erscheint im Ehebuch Anfang 1636 als "Subprior" - einen Prior wird es in Reichenbach erst wieder 1647 geben. Zwar finden wir ab Dezember 1643 im Taufbuch bei Albertus mitunter den Zusatz "Prior", doch ist dieser erkennbar von neuer Hand und sehr wahrscheinlich nicht zutreffend. Die Originaleinträge, die wohl von Gebhard selbst stammen, lauten durchweg auf "Subprior". Albert Gebhard lebt in Reichenbach bis Ende des Jahres 1645, er tauft letztmals am 19. November (L). Vielleicht ist er in Reichenbach gestorben: das Dienerbuch (1963) registriert seinen Tod 1646.

Albert Gebhard findet zunächst keinen Nachfolger, denn Ernst Faber, der im Sommer 1646 von Wiblingen nach Reichenbach kommt, trägt den Titel "Prior" erst ab Juni 1647. In seinem Falle stoßen wir in den Kirchenbüchern auf Einträge von neuer Hand, die gelegentlich auf "Subprior" lauten und sehr wahrscheinlich ebenfalls nicht richtig sind. Bei den Originaleinträgen lesen wir ab Juni 1647 stets "Prior". Ernst Faber bleibt Prior bis zur endgültigen Auflösung des Klosters im Dezember 1648 (L).

In den Kirchenbüchern von Reichenbach finden wir zwischen 1635 und 1648 neben Prior oder Subprior die folgenden Geistlichen (L):

  • Dominicus Johannes Molitor: er tauft 1635, danach kein Hinweis mehr;
  • Jacob Wertz: er tauft 1635 bis 1644 (zwischen 1636 und 1642 ausschließlich im Wechsel mit Albert Gebhard) und ist für die gleiche Zeit auch im Ehebuch und im Taufbuch nachweisbar;
  • (Jörg) Johannes Armbruster: er ist Pfarrer in Schapbach und, so das Totenbuch unter dem 30. Januar 1643, "in exilio in Reichenbach", wo er 1643 und 1644 tauft;
  • Johannes Knorr: er tauft 1643 in Reichenbach als Pfarrer von Rippoldsau - im Taufbuch von neuer Hand, also wohl nicht zuverlässig: "pater prior aus rippoldsau";
  • Zacharias N. (Nachname nicht bekannt) ist 1644 als Franziskaner in Reichenbach und im Taufbuch und Ehebuch nachweisbar;
  • M. Georg Rayser: er ist Pfarrer zu Forbach und tauft 1645/46 in Reichenbach, 1645 auch im Ehebuch belegt;
  • Thomas N. (Nachname nicht bekannt) tauft 1645, sonst kein Hinweis;
  • Maximus N. (Nachname nicht bekannt): er ist, wie Zacharias, Franziskaner und 1646 im Taufbuch und Ehebuch belegt;
  • Theobald N. (Nachname nicht bekannt): er ist Prämonstratenser und 1646 in allen drei Büchern nachweisbar;
  • Magnus Faber: seit 1647 in allen Büchern belegt, zelebriert am 23.12.1648 die letzte katholische Taufe in Reichenbach (das Datum sehr wahrscheinlich nach dem Gregorianischen Kalender, der jetzt, entsprechend dem Glaubenswechsel, wieder durch den Julianischen Kalender abgelöst wird).

Unter den Geistlichen sind demnach drei exilierte Pfarrer (Armbruster, Knorr und Rayser) und drei, möglicherweise ebenfalls geflüchtete, Mitglieder anderer Orden (Zacharias, Maximus und Theobald). Zählt man alle zusammen, dann finder man einschließlich Prior und Subprior zwischen 1635 und 1648 nicht mehr als 13 Geistliche in Reichenbach. Von diesen sind nur zwei, Albert Gebhard und Jacob Wertz, mehr als drei Jahre nachweisbar. Geht man die einzelnen Jahre durch, dann findet man höchstens vier Geistliche gleichzeitig, und zwar nur in den Jahren 1643, 1644 und 1646, in den übrigen Jahren nicht.

In die Spätzeit der Konventualen in Reichenbach fällt auch die Anwesenheit des "Ludimoderators" Johannes Raichenbacher (1571 - 1648, F 2096). Ludus ist die Grundschule, ludimoderator (oder ludimagister) ist also der Schulmeister. Johannes Raichenbacher stammt, wie das Totenbuch belegt, aus Landau; wenn damit die pfälzische Stadt gemeint ist, dann ist Raichenbacher vielleicht auch Flüchtling gewesen und nur gezwungenermaßen in Reichenbach. Gleichwohl und trotz seines hohen Alters wird er dort als Schulmeister gewirkt haben. Er stirbt im Februar 1648 im Alter von 77 Jahren, Ernst Faber hat ihn beerdigt (L).

Um die Jahreswende 1648/49 beginnt die württembergische Zeit in Reichenbach neu. Als neuer evangelischer Pfarrer tritt Johann Michael Knoll seinen Dienst an und als neuer Schulmeister Ludwig Desch. M. Johann Michael Knoll (1611 - 1658, F 2134) stammte aus Asch bei Blaubeuren, beendete 1631 sein Tübinger Studium mit dem Magister und war von 1636 bis 1644 Stadtpfarrer in Haiterbach. Unmittelbar vor seinem Dienst in Reichenbach war er Präceptor (Lehrer) der Klosterschule in Wildberg. In Reichenbach hat er offenbar wenig Erfolg in seinem Bemühen, für das evangelische Bekenntnis zu werben. Er wird nach gut einem Jahr nach Blaubeuren versetzt, wo er erneut als Präceptor tätig wird (Daten: F 2134).

Auch Ludwig Desch (1629 - 1653, F 1274) amtiert nur kurz in Reichenbach, ehe ihn der Tod in jungen Jahren abberuft. Der Beginn seiner Amtszeit fällt zusammen mit der Einführung der allgemeinen Schulpflicht im Herzogtum Württemberg im Jahr 1649. Ob sich die Schulpflicht tatsächlich überall rasch durchsetzen ließ, mag dahingestellt sein: immerhin waren Geldbußen denjenigen angedroht, die sich ihr zu entziehen suchten. Ludwig Desch stammte aus Herrenberg und heiratete 1649 in Reichenbach Anna Neuffer, die aber keine Tochter des Schaffners ist. Die beiden Kinder des Ehepaars sind vor dem Vater gestorben (L).

Letzter Pfarrer in der Frühzeit der bürgerlichen Gemeinde in Reichenbach wird Caspar Brender, letzter Schulmeister Martin Hyhn. M. Caspar Brender (1597 - 1668, F 149) stammt aus Herbrechtingen und war 14 Jahre (1636 - 1650) Pfarrer in Baiersbronn, ehe er im Juni 1650 die Reichenbacher Pfarrei übernahm und bis zu seinem Tod im August 1668 versah. Pfarrer Grammer berichtet 1691 im Kirchenbuch von einem Gedenkstein für Caspar Brender, den es damals in der Klosterkirche noch gab: diesem Bericht entnehmen wir die meisten persönlichen Daten Caspar Brenders, auch die vier Ehen, die er einging. Die letzte Ehe fiel in die Reichenbacher Zeit: 1651 heiratete er Dorothea Margaretha Stöffler, eine Pfarrerstochter, geboren in Grüntal. Der Vater, Georg Stöffler, stammt wahrscheinlich aus Tübingen, dorthin heiratet die Witwe Caspar Brenders 1675. In Reichenbach sind zwischen 1653 und 1662 vier Kinder des Ehepaars Brender geboren (L).

Martin Hyhn (1620 - 1681, F 120 A) ist der Nachfolger von Ludwig Desch als Schulmeister in Reichenbach. In den Kirchenbüchern ist er erstmals im Oktober 1654 belegt, anläßlich der Geburt seiner Tochter Anna Catharina. Seine Herkunft ist nicht bekannt. Dem Eintrag im Taufbuch entnehmen wir auch den Vornamen der Ehefrau Martin Hyhns: Magdalena. Sie stirbt 1671 in Reichenbach. Martin Hyhn bleibt dort bis kurz vor seinem Tod: 1680, bei der Hochzeit seines Sohnes, des Baiersbronner Bäckers Hans Georg Hyhn, ist er noch Schulmeister in Reichenbach; er stirbt jedoch ein Jahr später in Baiersbronn (L).

Der Pfarrer und wohl auch der Schulmeister sind frei von Steuern und Abgaben, genießen freies Wohnrecht und Nutzungsrechte an Feldstücken. Dem Pfarrer stehen zur Verfügung das Pfarrhaus mit Scheuer, ein Baum- und Grasgarten, ein Küchengarten und vier Mannsmahd der Gastwies. Für eineinhalb Mannsmahd am Eselacker bezahlt er den Vorzugszins von einem Reichstaler (= 1,5 fl.). Der Schulmeister bekommt freie Wohnung im Schulhaus, das ist 1668 Balthasar Muots früheres Haus auf dem Marktwasen (vgl. Teil 3.4). Zum Haus gehört ein kleiner Küchengarten. Der Schulmeister hat ferner Nutzungsrecht an zwei Mannsmahd der Gastwies. Dies alles können wir dem Lagerbuch entnehmen (XXXV, S. 96, 102, 104).

Aus Aufzeichnungen des Pfarrers Grammer im ältesten Kirchenbuch von Reichenbach (Faksimile) kennen wir Art und Höhe der Schulmeister-Besoldung aus der Zeit um 1700 sehr genau (L). Die Aufzeichnungen spiegeln zwar nicht ganz die Verhältnisse der von uns untersuchten Frühzeit wider, kommen ihr aber, weil wir nur mit geringen Veränderungen rechnen müssen, ziemlich nahe.

Als Festgehalt bezieht der Schulmeister "von gnädigster Herrschaft", also vom Herzog, neun Gulden in bar und genau festgesetzte Mengen an Dinkel, Hafer und Roggen. Der Armenkasten, also die Kirche in Reichenbach, steuert zur Besoldung fünf Gulden bei und die "Heiligen", also die Kirchenkästen von Igelsberg und Heselbach zehn und fünf Gulden. Dazu kommen das Schulgeld pro Kind und Quartal (zwölf Kreuzer) und Gebühren für das Schulexamen. Im Sommer ist in der Regel keine Schule, findet sie ausnahmsweise doch statt, hat der Schulmeister Anspruch auf zusätzliches Schulgeld.

Die Besoldung scheint allerdings nicht üppig gewesen zu sein, denn der Schulmeister nimmt allerlei besoldete Nebentätigkeiten ("Accidentialen" genannt) bei kirchlichen Anlässen wahr: In Reichenbach läutet er die Glocken bei Taufen (sechs Kreuzer) und bei Leichenbegängnissen (zwölf Kreuzer), bei Hochzeiten sorgt er für "das Gesang" (20 Kreuzer) - organisiert also wohl einen kleinen Chor (wenn man nicht annehmen will, dass er alleine singt). Auch auf den Dörfern (Igelsberg, Heselbach, Röt) trägt er gegen Gebühr zum Gelingen kirchlicher Feiern bei.

Rechnet man alles zusammen, dann kommt der Schulmeister auf Einnahmen von jährlich ungefähr 70 fl. bei freier Wohnung mit Garten und Wiese. Um das Einkommen bewerten zu können, benötigt man einen Vergleichsmaßstab, den wir in den Inventuren und Teilungen (XLVIII) jener Zeit finden können. Danach ist zu veranschlagen

  • 1 Huhn mit 12 Kreuzern (x)
  • 1 junges Kalb mit 3 Gulden (fl.)
  • 1 Milchkuh mit 18 fl.
  • 1 Ochse mit 22 fl.
  • 1 neues Paar Schuhe mit 1 fl. 30 x
  • 1 neuer Rock mit 3 fl.
  • 1 neues Leinen-Tischtuch mit 30 x
  • 1 neuer Tisch mit 1 fl.
  • 1 neue beschlossene Truhe mit 2 fl. 30 x
  • 1 kleine Eisenpfanne mit 20 x
  • 1 Messingkessel mit 2 fl. 30 x
  • 1 Axt mit 20 x
  • 1 Mistgabel mit 10 x

Die Beteiligung der "Heiligen" von Igelsberg und Heselbach an der Besoldung des Schulmeisters sagt auch etwas aus über seine regionale Zuständigkeit. Sie ist identisch mit der des Pfarrers, die wir dem Lagerbuch entnehmen können. Zur Pfarrei Reichenbach gehören neben Reichenbach und den Höfen im Tonbach die Kirchen in Heselbach (für Heselbach und Röt) und in Igelsberg. Entsprechend ist der Einzugsbereich der Schule in Reichenbach.

Typoskript: 03/96
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Aktualisierung: 06/05
Der Buchstabe F mit nachfolgenden Ziffern verweist auf das Ortssippenbuch von G.Frey (1987)