Studien
 
Kollektive Nutzungsrechte an Feldern und Wäldern im Klosteramt Reichenbach (Teil 4):
Fischerei- und Sammelrechte
 
Während die Jagd, und zwar nicht nur auf Hochwild (Hirsch, Auerhahn), sondern auch auf Niederwild (Hase, Fasan) den Bürgern des Klosteramts generell entzogen war, gestalteten sich die Herrschaftsrechte auf "des Closters aigenthumbliche Vischwaßer" nicht ganz so exklusiv. Vielmehr wurde den Bürgern aus den Dörfern im Tal ein bescheidenes, den Röter Bürgern ein erweitertes Fischereirecht eingeräumt; ferner wurden offenbar herrschaftliche Fischgewässer an Private verpachtet. Ist die "Vischensgerechtigkeit" im Lagerbuch von 1667/68 ausdrücklich und ausführlich geregelt, so finden wir dort keinerlei Regelungen der Sammeltätigkeit, die nicht nur von den armen Leuten intensiv betrieben wurde. Sie scheint bis auf das Sammeln von Holz (Teil 3) und von Harz weitgehend frei gewesen zu sein. Gesammelt wurden insbesondere wilde Beeren und Früchte, Wildgemüse und Wildsalate sowie Wildkräuter, vielleicht auch wilder Honig, ferner Wurzeln und Knollen sowie Pilze und schließlich Streumaterial für den kleinen Stall.

Folgt man dem Lagerbuch, dann erstreckten sich die Fischgewässer des "Closters" auf die Murg mit ihren Zuflüssen zwischen dem Tonbach im Süden und dem Rendelbach im Norden, wobei in den nördlichen Teilen an der Grenze zu Baden und Eberstein dem Klosteramt das Fischereirecht nur halbteilig oder halbseitig zustand (hinzu kam ein kleines Stück der Nagold auf Schernbacher Markung, das wir nicht weiter betrachten wollen). Nicht zu den staatlichen Gewässern zählte indes der Röter Bach, der dieser Gemeinde zur Verfügung stand und wohl gemeinderechtlicher Regelungen unterworfen war. Alle Bürger der ehemaligen Klosterdörfer im Tal, auch die Bürger von Röt, hatten nun das Recht, pro Jahr und Haushalt "ein Eßen Visch" aus der Murg zu fangen, und zwar "wann die Murg gißig würdt" und einen bestimmtem Wasserstand erreicht hat, also wohl im Frühjahr.

In Röt finden wir ein weitere Besonderheit insofern, als dort zwei Felder, die "Flach" und die "Missin" genannt, wohl mit Teilen eines fischbesetzten Gewässers (vielleicht des Ettersbachs) seit Jahr und Tag in Erbleihe vergeben waren. Die zur Zeit des Lagerbuchs vier Besitzer dieser Felder mussten daher mit Fischen zinsen, und zwar, je nach Größe des eigenen Anteils, mit bis zu zwanzig Stück (vgl. dazu auch Teil 2.1 der Studie "Abgaben und Fronen im Klosteramt Reichenbach"). Während die Vergabe von Gewässern in Erbleihe zweifellos als seltene Ausnahme gesehen werden muss, war die kurzfristige (meist auf drei Jahre begrenzte, aber verlängerbare) Verpachtung von Fischgewässern wohl üblich. Jedenfalls ist die Pacht nicht nur im Lagerbuch belegt, sondern auch in einem Dokument aus dem Jahr 1613 (X), das zudem den Schluss nahelegt, dass die Fischereirechte in der Murg nahezu komplett an insgesamt sieben Pächter, unter denen wir auch den Schaffner und den Reichenbacher Pfarrer finden, vergeben waren (dazu kam ein weiterer Pächter in Schernbach).

Verpachtet, das entnehmen wir dem gleichen Dokument, war auch das Recht, aus den Wäldern des "Closters" Harz zu gewinnen, als dessen Quelle vor allem die Kiefer in Frage kam, während die Fichte durch das Harzen leicht bleibenden Schaden nahm (vgl. O. Schoch, 1994). 1613 wurden die Harzrechte in den staatlichen Wäldern des Klosteramts, auch hier - wie es scheint - nahezu komplett, an sechs Pächter vergeben (X).

Die Verpachtung von Sammelrechten scheint sich im Klosteramt auf die Harzgewinnung beschränkt zu haben, jedenfalls findet man in Bezug auf andere Sammeltätigkeiten keine rechtlichen Zugangsbegrenzungen. Daraus ist wohl zu schließen, dass das Sammeln mehr oder minder begehrter Naturprodukte allen Bewohnern offen stand. Will man sich bei der Frage nach dem Vorkommen dieser Produkte nicht nur am heutigen Zustand orientieren, dann bietet die "Beschreibung des Oberamts Freudenstadt" aus dem Jahr 1858 eine Quelle, die zwar vorsichtig, aber relativ zuverlässig auf die Klosteramtszeit schließen lässt.

Gesammelt wurden die Produkte der Natur teils als Ersatz, teils als Ergänzung angebauter Ertragsquellen. Wer kein Getreidefeld besaß, musste Streu sammeln für den Schuppen, in dem er eine Ziege und ein Schwein hielt; wer keinen Baumgarten sein eigen nennen konnte, war gezwungen wildes Obst zu sammeln; wer nicht einmal über einen kleinen Gemüsegarten verfügte, musste sich an Wildsalate und Wildgemüse halten. Beeren und Nüsse indes, Pilze und Wildkräuter, darunter auch Heilkräuter, wurden praktisch von allen als Nahrungsergänzung gesammelt. Gehen wir die verschiedenen Gruppen kurz durch:

  • Folgt man der Oberamtsbeschreibung, dann waren unter den wilden Obstgehölzen weder der Holzapfel (Malus sylvestris) noch die Holz- oder Wildbirne (Pyrus pyraster) noch die Wild- oder Vogelkirsche (Prunus avium) im Klosteramt selten. Die Früchte, die eher bitter und sauer sind, wurden für den Winter getrocknet oder unter Zusatz von Honig zu Gelees und Marmeladen gekocht.
  • Unter den Nüssen konnte wahrscheinlich nur die Haselnuss gesammelt werden, weil die Bucheckern eher der Schweinemast dienten (vgl. Teil 2) und der Walnussbaum im rauhen Klima des oberen Murgtals wohl kaum gedieh.
  • An Beeren gab und gibt es insbesondere die Heidelbeere, auch wilde Erdbeeren und Himbeeren; die Brombeeren, die nicht selten die "lebendigen Häger" der eingezäunten Felder bilden mochten, waren wahrscheinlich zur Zeit des Klosteramts viel häufiger als heute; schließlich sind wohl die Preißelbeeren zu nennen. Auch die Beeren wurden, soweit sie nicht, wie besonders die Heidelbeere, zur Herstellung von Brannt- und Beerenweinen genutzt wurden, vor allem zu Marmeladen verarbeitet.
  • Fragt man nach den Wildgemüsen und Wildsalaten im Klosteramt, dann ist wohl insbesondere an den wilden Spinat ("Guter Heinrich") und den Feldsalat zu denken. Dazu mögen Gemüse und Salate aus Brennesseln, Lungenkraut, Löwenzahn und Gänseblümchen zubereitet worden sein.
  • Sieht man davon ab, dass einer Vielzahl von Pflanzen, begründet oder nicht, heilsame Wirkung zugeschrieben wurde, so mögen an Heilkräutern im engeren Sinne wohl Baldrian, Johanniskraut, Kamille und Pfefferminze für den privaten Gebrauch gesammelt worden sein und für die Herstellung von Arzneimitteln vielleicht Eisenhut und Fingerhut. An Würzkräutern könnte, weil sie im Wasser wächst und ganzjährig geerntet werden kann, zudem zahlreiche Viramine und Mineralstoffe enthält, die Brunnenkresse begehrt gewesen sein; hinzu mögen als nicht überwiegend in Gärten kultivierte Kräuter Beifuß, Liebstöckel, Salbei und Waldmeister gekommen sein.
  • An essbaren Pilzen waren und sind im Klosteramt wohl verbreitet der Champignon, der Pfifferling und die Morchel.
  • In Notzeiten verschmähte man auch Wurzeln und Knollen nicht und buk "Notbrote" unter Zusatz von geschnittenem Laub, gemahlenen Tannenzapfen, ja auch von Sägemehl.
  • Laub, neben kleinen Zweigen und hartem Gras (Binse, Pfeifengras) diente auch als Streumaterial für die Stallhaltung einer Ziege oder eines Schweins im Winter.
  • Honig war zur Zeit des Klosteramts, weil Rohrzucker viel zu teuer und Rübenzucker noch nicht bekannt war, für fast alle Bewohner das einzige Süßungsmittel. Die Bienenzucht spielte daher ganz gewiss eine zentrale Rolle. Ob daneben wilder Honig gesammelt, womöglich gewerbsmäßig von "Zeidlern" gesammelt wurde, ist nicht recht erkennbar, letzteres aber wohl eher nicht.

Vergleicht man die Sammeltätigkeit zur Zeit des Klosteramts mit der in unserer Zeit, dann lässt sich schnell feststellen, dass nicht nur die Breite und Intensität des Sammelns zurück gegangen ist, sondern auch der Anlass sich geändert hat: aus Armut oder mit dem Ziel einer ausgewogenen Ernährung auch im Winter oder zur Linderung von Leiden braucht heute niemand mehr zu sammeln. Verschmäht, zum Beispiel, wird nicht nur das Obst selten gewordener Wildbäume, sondern auch die Früchte verwilderter Bäume, die man entlang alter Landstraßen noch finden kann; ähnliches gilt für Haselnüsse und Bucheckern. Auf das Sammeln von Beeren trifft man noch dort, wo es, durchaus selektiv, eine lange Tradition hat: so werden Heidelbeeren, aber eigentlich nur sie, im Schwarzwald noch immer gesammelt; ähnliches gilt für Pilze. Das Sammeln von Wildkräutern und Heilkräutern wird mit beinahe weltanschaulich motivierter Naturverbundenheit ("Gutes vom Wegesrand") nur von einer kleinen Minderhheit noch praktiziert. Sehr viel weiter geht die Sammeltätigkeit heutzutage nicht.

 
Internetversion: 02/08
Aktualisierung: 02/08