Die
Besiedlung des Roten Rains von Huzenbach im 18.
Jahrhundert (Teil 2): Vom Taglöhnergütlein zum Söldnerhof (Haus 7) |
Am 10.
Februar 1774 geben der Pfeiflesbauer Johannes Pfeiflen
und der Söldner Johann Georg Wahr, beide von Huzenbach,
den folgenden Bericht an die herzogliche Kanzlei zu
Protokoll: "Durch eine, den 31. vorigen Monats,
Nachts zwischen 8 und 9 Uhr in mein, des Johannes
Pfeiflens Hauß unvermuthet entstandene Feuersbrunst,
sind in Zeit 1½ Stunden unsere - der unterthänigsten
Supplicanten- nächst beysamen gestandene 2
Wohnbehaußungen und Scheuhern gänzlich in die Aschen
gelegt worden" (XXXII). Dieser Bericht bestätigt Hinweise an anderen Stellen, dass Johann Peter Wahr, der Vater des oben genannten Johann Georg das alte Taglöhnergütlein Hoch/Wunsch (Lagerbuch 1667: "Michel Wunsch zuevor Jacob Hoch"; Faksimile) übernommen hat, dessen Lage man in der Nähe des Pfeiflesbauernhofs vermutet. Im Lagerbuch von 1667 wird Michael Sackmann, der Pfeiflesbauer, verpflichtet, durch seinen Garten einen Fahrweg zu gestatten und drei "Luckhen" offen zu halten: "die eine unden an Michel Wunschen Hauß". Das Haus des Taglöhners Michael Wunsch, Schwiegersohn des Jacob Hoch, grenzt also 1667 an den Garten des Pfeiflesbauern. Bei diesem Garten handelt es sich laut Lagerbuch um einen "Bohmgarthen" von einem halben Morgen (1600 qm). In den Flurkarten aus der Zeit um 1840 (LII) finden wir unmittelbar südlich des Pfeiflesbauernhofs eine "Baumwiese" von gut 1100 qm als Teil der Parzelle 28, an die sich nach Süden ein Gemüsegarten von knapp 200 qm anschließt (Karte). Beide Gartenteile könnten durchaus in die Zeit des Lagerbuchs zurückreichen. Weil das Gelände nach Osten abfällt, muss die Luke "unden" wohl auch in dieser Richtung gesucht werden. Die Südostecke des Gartens ist ungefähr 50 m, die Nordostecke nicht viel mehr als 10 m vom Pfeiflesbauernhof entfernt. Wenn das Taglöhnerhaus dicht am Ostrand des Gartens stand, dann musste das Feuer eine Entfernung von 10 bis 50 m überbrücken. Unterstellt man im Januar einen kräftigen Nordwestwind und denkt man an Bäume, Zäune und vielleicht auch gelagertes Holz zwischen beiden Gebäuden, so ist ein Überspringen des Feuers auch über 50 m nicht auszuschließen; 30 m scheinen indes jederzeit möglich. Bleibt man auf der sicheren Seite, so darf man die Lage des Taglöhnergütleins ungefähr 30 m südostwärts des Pfeiflesbauernhofs dicht am Rand des Baumgartens vermuten. (S. Finkbeiner kommt im Huzenbachbuch, 1989, zu einem ähnlichen Ergebnis.) Die genaue Lage des Taglöhnerhauses kennen wir deshalb nicht, weil es - anders als der Pfeiflesbauernhof - nach dem Brand von 1774 am alten Ort offenbar nicht wieder errichtet worden ist. Jedenfalls finden wir auf den frühen Flurkarten zwischen dem Pfeiflesbauernhof und dem Holdersbach überhaupt kein Gebäude. Johannes Wahr, Sohn des Johann Georg Wahr, hat seinen Hof im Roten Rain, am Südwestrand eines großen Feldstücks (Parzelle 59) von 16 Morgen. Teile im Nordosten dieses Feldstücks gehen mit einiger Sicherheit auf Michael Wunsch und Jacob Hoch zurück. Im Lagerbuch von 1667 (XXXV) besitzt Michael Wunsch "ein Ackher- und Wißveldt, die Wandäckher genannt, ohngefahrlich sechs Morgen, zwischen der gemeinen Gaßen und Closters Reichenbach Waldungen gelegen". Im Jahr 1752 erwirbt Johann Peter Wahr, wie wir den Beilagerbüchern (XXXVI) entnehmen können, ein Feldstück aus der Allmand, das "nächst an seiner Hoffwisen am Wandacker und rothen Rhain gelegen" ist. Dort finden wir also die Flurbezeichnung "Wandacker" (1667: "Wandäckher") wieder: es handelt sich um die "Hofwiese" von Johann Peter Wahr, die im Roten Rain liegt. Damit haben wir einen weiteren Hinweis auf den Übergang des Taglöhnergütleins Hoch/Wunsch auf Johann Peter Wahr. Der "Wandacker" liegt nach der Beschreibung im Lagerbuch am Nordostrand des Roten Rains. Der unterhalb des Hangs am Hof des Hanesenbauers vorbeiführende Weg war früher tatsächlich ein Teilstück der "gemeinen Gaß". Der "Wandacker" gehört um 1840 zu der großen Parzelle 59, deren südwestlich gelegenen Teile im 17. Jahrhundert wohl noch bewaldet waren. Zur Zeit des Lagerbuchs finden wir also ein größeres Feldstück des Taglöhnergütleins Hoch/Wunsch im Roten Rain, das Gütlein selbst, also vor allem das Wohnhaus, aber noch nördlich des Holdersbachs. Erst 1774, nach dem Brand, zog Johann Peter Wahr hinüber zum Roten Rain. In einer Abschrift des Lagerbuchs aus dem Jahr 1809 (LV, die mir von S. Finkbeiner zugänglich gemacht wurde) wird Johann Georg Wahr, der Sohn des Johann Peter, als Besitzer des Gütleins namhaft gemacht. Es scheint also zutreffend, dass das im Lagerbuch von 1667 genannte Taglöhnergütlein nacheinander in den Händen der Familien Hoch, Wunsch und Wahr gewesen ist. Diese Besitzverhältnisse wollen wir jetzt im einzelnen nachzeichnen. Auf Jacob Hoch (F 1532) stoßen wir erstmals im Jahr 1603 bei der Geburt seines Sohnes Jacob, die im Taufbuch von Schwarzenberg - das genaue Datum ist nicht erkennbar - vermerkt ist. Dem Taufbuch entnehmen wir auch den Vornamen seiner Frau: sie heißt Agnes, ihre familiäre Herkunft ist unbekannt (LI). Martin, der älteste Sohn des Ehepaars Hoch, huldigt 1619 (VIII). Weil die Huldigung nach dem 18. Lebensjahr abverlangt wird, ist Martin 1601 oder etwas früher geboren. Damit mag die Ehe zwischen Jacob und Agnes Hoch noch vor 1600 geschlossen worden sein. Jacob Hoch könnte dann um das Jahr 1570, Agnes einige Jahre später geboren sein. Spätestens 1598 sitzt Jacob Hoch in Huzenbach; denn in der Musterungsliste dieses Jahres (II) wird er aufgeführt: er ist "Helbartierer", d.h. mit einer Hellebarde, einem Spieß bewaffnet. Jacob Hoch scheint aber nicht aus Huzenbach zu stammen; woher er kam, wissen wir indes nicht. Aus der Ehe von Jacob und Agnes Hoch gehen bis 1607 fünf Kinder hervor (dazu und zum folgenden: LI). Bald darauf muss die Ehefrau gestorben sein: ihr Tod ist 1610 im Totenbuch vermerkt ohne weitere Daten und Angaben in einer Reihe mit anderen undatierten Todesfällen. Es handelt sich offenbar um einen summarischen Nachtrag. Tatsächlich ist Jacob Hoch bereits im November 1609 eine zweite Ehe - mit Catharina Schwemblin aus Obermusbach - eingegangen. Agnes, die erste Frau, müsste dann, die übliche sechsmonatige Wartezeit nach dem Tod des Ehepartners zugrundegelegt, spätestens im Frühjahr 1609 gestorben sein. In der zweiten Ehe werden zwischen 1612 und 1619 vier Kinder geboren, dann stirbt auch Catharina (am 3. August 1619). Jacob Hoch heiratet am 29. November 1619 - nach nur knapp viermonatiger Wartezeit - ein drittes Mal: die junge Frau heißt wieder Agnes; sie ist eine geborene Völmlin und stammt aus Schwarzenberg. In der dritten Ehe werden noch einmal vier Kinder geboren. Das Schicksal der meisten der 13 Kinder des Jacob Hoch können wir nicht weiter verfolgen; nur von drei Töchtern wissen wir näheres:
Die Vermutung liegt nahe, dass Catharina, sie lebt in Huzenbach, das Taglöhnergütlein des Vaters geerbt hat, und "Michael Wonch" (so die Schreibweise im Ehebuch von Reichenbach unter dem 17. November 1647) identisch ist mit dem Michel Wunsch des Lagerbuchs von 1667. Die Schreibweise des Namens variiert stark:
Paten sind in allen Fällen Georg (Jerg) Mast und Anna Schaiblen (Schaiblin, geb. Ziflin). Nicht zuletzt daraus, aber auch aus dem gleichbleibenden Namen der Ehefrau, kann man schließen, dass in allen fünf Fällen Michael Wunsch der Vater ist. (Michael Wunsch ist also sowohl F 483 als auch F 1531 als auch F 2146.) Das Taglöhnergütlein, das Jacob Hoch seiner Tochter Catharina vererbte, ist mit einiger Sicherheit junger Besitz. Das ergibt sich zum einen daraus, dass Jacob Hoch wohl nicht aus Huzenbach stammt, zum anderen aus der Lage der Feldstücke im Roten Rain (und in der Füllenbachau), also außerhalb des alten Kulturlandes zwischen Holdersbach und Seebach einerseits und auf dem Huzenberg andererseits. Zum dritten ist Jacob Hoch zunächst nicht vermögend: 1604 ist er im Schätzungsregister als "armer Taglöhner" mit einem Besitz von 110 Gulden aufgeführt (VI). In einem undatierten Schätzungsregister aus der Zeit um das Jahr 1635 besitzt er ein "gietlen", das mit einem Wert per Saldo von 300 Gulden veranschlagt ist (XLVII). Zwischen 1604 und 1635 muss sich also der Besitz des Jacob Hoch kräftig vermehrt und zu einem Gütlein, zu dem gewiss ein eigenes Haus gehört, geformt haben. Über die Lage des Gütleins neben dem Pfeiflesbauernhof und des Feldstücks von sechs Morgen im Roten Rain ("Wandäckher") ist schon berichtet worden. Hinzu kommen laut Lagerbuch von 1667 zwei Morgen in der Füllenbachau (XXXV). Michael (1608-1702) und Catharina Wunsch (1620-1693) haben sieben Kinder, über die wir folgendes wissen (LI):
Georg Wunsch (F 648) ist also wohl der Erbe des Taglöhnergütleins. Er hat dem Vater, der 94 Jahre alt wird, "treu und redlich gedient und ihn erhalten" (AS 30 zu F 648). In den Inventar- und Teilungsbüchern (XLVIII) wird er 1729, wie G. Frey weiter mitteilt, "Güthens Besitzer" genannt (AS 40 zu F 648). Er hat im Jahr 1702 (Anna) Maria Wetzel aus Besenfeld geheiratet. Von den sechs Kindern des Ehepaars leben beim Tod der Mutter (1733) und des Vaters (1735) noch zwei: die Tochter Eva und der Sohn Georg. Eva Wunsch heiratet 1733 den Taglöhner und Totengräber Johannes Rothfuß (1707 - 1768, F 875), während Georg Wunsch (1719 - 1768, F 876) als Berufssoldat dient und zunächst unverheiratet bleibt. Weil Johannes und Eva Rothfuß offenbar in Huzenbach ansässig sind - die Ehe wurde in der Kirche zu Schwarzenberg geschlossen, die Kinder sind dort getauft (LI) - kann man davon ausgehen, dass sie die Erben des Taglöhnergütleins sind. Spätestens 1752 aber ist, wie wir eingangs gesehen haben, Johann Peter Wahr (1714 - 1791, F 831) im Besitz des Gütleins. 1769 ("Tabellarisches Verzeichnis"; XXXI) ist Eva Rothfuß, inzwischen verwitwet, ohne Besitz, und 1780 ("Seelenregister"; LI) lebt sie als "Rothfußin" im Haus ihrer Schwägerin Margaretha Frey, verw. Wunsch. Es ist das Haus, das ihr Bruder Georg, seit 1759 mit Margaretha verheiratet, um das Jahr 1765 im Roten Rain baute. 1768, nach Georgs Tod, geht das Haus in den Besitz der Witwe über, die noch im selben Jahr den Taglöhner Johann Martin Frey (1725 - 1810, F 962) heiratet. Die Geschichte dieses Hauses, es trägt die alte Nummer 8, und seiner Bewohner werden wir im nächsten Teil 3 skizzieren. Hier ist festzuhalten, dass das Ehepaar Rothfuß offenbar vor 1752 das Taglöhnergütlein an Johann Peter Wahr verkauft hat und wahrscheinlich seit 1765 im Haus des Georg Wunsch wohnt. Die Wohnung in der Zeit dazwischen kennen wir nicht, sie muss aber in Schwarzenberg oder Huzenbach gelegen haben, denn alle Kinder des Ehepaars Rothfuß sind in Schwarzenberg getauft, das jüngste 1760. Wahrscheinlich lebt die Familie bis 1765 zusammen mit den neuen Besitzern im alten Haus des Taglöhnergütleins beim Pfeiflesbauernhof. Nun zu den neuen Besitzern des Gütleins. Johann Peter Wahr und seine Frau Anna Maria Frey (1714 - 1780) stammen beide aus Besenfeld. Sie haben im Jahr 1740 geheiratet und zwar, wie das Ehebuch beweist, in der Kirche zu Schwarzenberg (LI). Daraus könnte man den Schluss ziehen, dass der Umzug nach Huzenbach und die Eheschließung dort durch den Erwerb des Gütleins veranlasst waren, d.h. dass alle drei Ereignisse ungefähr zusammenfielen. Das würde den Übergang des Gütleins von der Familie Wunsch auf die Familie Wahr in die Nähe des Jahres 1740 rücken. Belege für diese Schlussfolgerung gibt es vorläufig allerdings nicht. Der Grundbesitz des Gütleins, jetzt ein "Söldnerhof", ist durch Zukäufe von Land, die wir teilweise registrieren können (1708, 1752), bis 1769 auf elf Morgen angewachsen (LV, XXXVI). Das "Tabellarische Verzeichnis" (XXXI) gibt auch Auskunft über den Viehbestand: neun Stück "Horn- und Rindvieh" und zwei Schweine. Im Haus wohnen sieben Personen: das Ehepaar, die jüngeren Kinder und wohl einige Dienstboten. Im Jahr 1782, als das zweite Seelenregister (LI) angelegt wird, sind Haus und Hof in Händen des Sohnes Johann Georg Wahr (1748 - 1808, F 612). Die Mutter ist 1780 gestorben, der Vater lebt bis zu seinem Tod (1791) als "Leibdinger" im Haus. Der Sohn hat 1774, nach einer kurzen ersten Ehe, Magdalena Frey (1747 - 1819), die Tochter des Unteren Friedersbauern (F 443) von Huzenbach geheiratet. In dieser Ehe werden neun Kinder geboren, erwachsen werden jedoch nur zwei: Johannes und Anna Maria. Anna Maria (1782 - 1868) heiratet im Jahr 1800 Christian Sackmann (1776 - 1860) vom Christenmichelshof, dessen eine Hälfte ("Unterer Christenbauer") er später erben wird. Johannes Wahr (1779 - 1878, F 543) - er wird also fast hundert Jahre alt! - heiratet im Jahr 1805 Christina Sackmann (1784 - 1845), die Schwester Christians, und ist um 1840 im Kataster als Besitzer des väterlichen Söldnerhofes ausgewiesen (LII). Der Hof liegt im Roten Rain (Karte) am Südwestrand der großen Parzelle 59 von 16 Morgen, die auch den Wandacker, den Stammbesitz des alten Taglöhnergütleins, umfasst. Zum Grundbesitz gehören auch nach wie vor die zwei Morgen in der Füllenbachau. Hinzu kommen zwei Morgen am Seebach und die kleine Parzelle 32 von einem Morgen im Roten Rain am Holdersbach. Seit den dreißiger Jahren verfügt der Hof, als Ersatz für die alten "Holzgerechtigkeiten", auch über Waldbesitz von knapp 24 Morgen im Seebachwald (LII). Dieser Waldbesitz ist ein weiteres Indiz dafür, dass das Taglöhnergütlein Hoch/Wunsch mit allen Rechten (dazu gehören auch einige "Holzgerechtigkeiten"), die im Lagerbuch von 1667 erneuert wurden, an die Familie Wahr übergegangen ist. Der Söldnerhof des Johannes Wahr trägt auf den frühen Flurkarten die Nummer 7. Er setzt sich zusammen (LII) aus einem Wohnhaus mit Scheuer und einem Holzstall mit Backofen. Die Gesamtlänge des Gebäudes beträgt ca.19 m, die Breite 12,5 m; im Kataster ist die Grundfläche mit 241 qm (29,4 Ruten) angegeben. Von der Gesamtlänge entfallen auf den Wohnteil, dem ein "Stiegenhaus", also eine verkleidete Außentreppe, angebaut ist, gut 10 m und auf die Scheuer 9 m. Der Holzstall begrenzt den Hofraum im Westen. 50 m ostwärts des Hauses finden wir als Teil der Parzelle 59 einen Gemüsegarten von 255 qm (31,0 Ruten). Vergleicht man diese Angaben mit dem "Webershof" von heute (Foto), dann scheinen Ausrichtung und Grundmaß des Gebäudes unverändert. |
Typoskript:
02/95 Druckversion: - Internetversion: 07/04 Aktualisierung: 07/04 |
Der Buchstabe F mit nachfolgenden Ziffern verweist auf das Ortssippenbuch von G.Frey (1987) |