Studien
 
Abgaben und Fronen im Klosteramt Reichenbach (Teil 3):
Belastung der Bürger - Leistung des Staates
 
3.1 Belastung der Bürger
3.2 Leistung des Staates
 
In diesem Teil der Studie soll versucht werden, die Belastung der Bürger durch Abgaben und Fronen derart zu ermessen, dass die Lasten in Beziehung gebracht werden zum Jahreserwerb und Vermögen der Lastenträger. Die so ermittelte Belastung soll dann in einem zweiten Schritt verglichen werden mit der Leistung des Staates zum Wohle der Bürger.
 
3.1 Belastung der Bürger  
 
Die Belastung des einzelnen Haushalts durch Abgaben und Fronen lässt sich wenigstens in ihrer Größenordnung so abschätzen, dass wir die jährlichen Lasten (Zinsen, Zehnten, Steuern, Fronen) in Beziehung setzen zum jährlichen Erwerb und die einmaligen Lasten (Handlohn und Weglöse, Besthaupt und Bestkleid) zum Vermögen. Über die Vermögenslage der Bürger des Klosteramts sind wir in frühwürttembergischer Zeit (1595 - 1667/68) durch einige Schätzungsregister (VI, XLVI, XLVII) recht gut informiert. Sehr viel schwieriger zu ermitteln ist dagegen die ungefähre Höhe des Jahreserwerbs verschiedener Haushalte (Bauer, Taglöhner, Handwerker). Unter den jährlichen Lasten ist die große Unbekannte der aktuelle Geldwert der Zehnten. Unser Vorhaben, heraus zu bekommen, wie stark die Abgaben und Fronen die Haushalte des Klosteramts wirklich belastet haben, ist also von erheblicher Unsicherheit begleitet.

Als erstes Beispiel, und zwar als Beispiel für die Belastung eines alten Guts soll der Hof von Hans Ziflen (F 637), dem "Obermartesbauern" aus Heselbach, herangezogen werden.

Wir beginnen mit der Schätzung des Jahreserwerbs der Familie Ziflen, indem wir die Vergütung für bezahlte Fronen zugrunde legen, auch auf die Gefahr hin, dass wir damit den Jahreserwerb vielleicht eher zu gering veranschlagen:

  • Für den Hofbauern unterstellen wir 50 Fahrtage zu 24 x und 250 (Hand-) Arbeitstage zu 6x, das sind zusammen 2.700 x.
  • Den Erwerbsbeitrag der Bäurin berechnen wir mit 300 Arbeitstagen zu 6 x, das sind dann 1.800 x.
  • Für mithelfende Kinder setzen wir einen Beitrag zum Jahreserwerb von pauschal 600 x an.
  • Schließlich berechnen wir den der Familie Ziflen verbleibenden "Mehrwert" der Arbeitsleistung eines Knechtes und einer Magd mit je 2 x pro Tag, das macht bei 300 Arbeitstagen 1.200 x.

Der Jahreserwerb des Hofbauern Hans Ziflen beläuft sich nach dieser Schätzung demnach auf 6.300 x oder 105 fl - ein Wert, der wahrscheinlich eher an der Untergrenze liegt.

Aus dem Jahreserwerb lässt sich der zehntpflichtige Anteil vielleicht so ableiten: Hans Ziflen ist als Besitzer eines alten Guts nur zur Ablieferung der alten Zehnten, insbesondere des Großen Zehnten, nicht jedoch des Heu- und Öhmdzehnten verpflichtet; demnach sind von den 27 Morgen Ziflens nur die 13 Morgen Ackerland auf dem Bergacker, dem Zielacker und in der Au, also rund die Hälfte, der Zehntpflichtigkeit unterworfen. Wenn wir weiter davon ausgehen, dass ungefähr zwei Drittel des Jahreserwerbs aus der Feldernutzung erwirtschaftet werden, dann ist im Falle Ziflens ein Drittel des Jahreserwerbs dem zehntpflichtigen Ackerland zuzurechnen. Das wären dann 35 fl, aus denen sich eine Zehntlast von 3,5 fl errechnet.

Die jährlichen Lasten Ziflens lassen sich dann so auflisten (XXXV):

  • Der "Ewige Zins" auf seinem Hof beträgt 48 x (und liegt damit eher über dem Durchschnitt des Zinses für alte Hofgüter).
  • Als Zehntlast Ziflens haben wir oben 3,5 fl oder 210 x geschätzt.
  • An Steuern hat er insgesamt 35 x jährlich zu entrichten, nämlich 15 x Herbststeuer an Württemberg und 20 x Maiensteuer an die Markgrafschaft Baden.
  • An unentgeltlichen Fronen wollen wir ansetzen drei Fronertage (zu 6 x) und drei Fronerinnentage (zu 2 x), das sind dann 24 x oder, wenn wir männlicher und weiblicher Fron gleichen Wert beimessen, 36 x.

Alles in allem kommen wir im Falle von Hans Ziflen also auf eine Jahreslast von knapp 330 x oder 5,5 fl.

Setzt man nun die jährlichen Lasten (5,5 fl) in Beziehung zum grob geschätzten Jahreserwerb (105 fl), dann kommt man auf eine Abgabenquote von gut 5 %.

Wir wissen nicht, wann Hans Ziflen gestorben ist und ob er den Hof zuvor an seinen Sohn Hans Balthasar Ziflen (1633 - 1693, F 139) übergeben konnte. Nehmen wir an, dass er um 1660 überraschend gestorben ist, dann war als Besthaupt vielleicht sogar ein Pferd fällig, das heißt eine Abgabe im Wert von 25 fl. Das wäre gemessen am geschätzten Jahreserwerb eine recht hohe Quote von annähernd 25 %. Richtiger ist aber wohl, das Besthaupt in Beziehung zu setzen zum hinterlassenen Vermögen. Die letzte Schätzung des Vermögens von Hans Ziflen stammt aus der Zeit um 1635 (XLVII) und beläuft sich auf 1.500 fl - das ist ein recht hoher Wert. Bezogen auf diesen Wert hätte die einmalige Abgabe eine Quote von knapp 2 %. Nehmen wir eine vorzeitige Übergabe des Hofes an, dann fällt die Quote mit dem Bestkleid in den Promillebereich; Handlohn und Weglöse waren für den Hof des "Obermartesbauern" als altem Gut nicht zu entrichten.

Als zweites Beispiel wollen wir die Belastung eines älteren Taglöhnergütleins am Beispiel des Besitzes von Michael Wunsch (1608 - 1702, F 483/1531/2146) in Huzenbach untersuchen.

Die Beiträge zum Jahreserwerb des Haushalts von Michael Wunsch, das unterscheidet ein Taglöhnergütlein von Lehenshof, beschränken sich wahrscheinlich auf die Familienmitglieder und resultieren wohl ausschließlich aus Handdiensten. Demnach wären zu veranschlagen

  • für das Ehepaar Wunsch 2 mal 300 Tage zu 6 x, das sind 3.600 x,
  • für mithelfende Kinder pauschal 600 x.

Als Jahreserwerb der Familie Wunsch errechnen wir daraus den Wert von 4.200 x oder 70 fl.

Den Anteil des Jahreswerbs aus zinspflichtiger Quelle - Michael Wunsch besitzt Felder im Umfang von 8 Morgen, davon etwa die Hälfte als Ackerland - schätzen wir im Vergleich zu Hans Ziflen auf ein Fünftel, das sind 14 fl, aus denen sich eine Zehntlast von 1,4 fl oder 84 x ergibt.

Im Teil 2 haben wir gesehen, dass Michael Wunsch, wie wohl generell die kleinen Besitzer, nicht zur (Herbst-) Steuer herangezogen wurde. Die verbleibenden jährlichen Lasten lassen sich dann so aufsummieren:

  • An Zins waren für das Gütlein laut Lagerbuch 10 x abzugelten (XXXV).
  • An Zehntlast haben wir durch grobe Schätzung 84 x ermittelt.
  • Die unentgeltlichen Fronen können wir wahrscheinlich genau so hoch einschätzen wie die von Hans Ziflen, also mit 24 x oder 36 x.

Daraus errechnet sich eine jährliche Gesamtlast von gut 2 fl und eine Abgabenquote von (2 : 70) knapp 3 %.

Es ist aus den verfügbaren Quellen nicht erkennbar, wann und wie das Gütlein von Jacob Hoch (F 1532) auf seine Tochter Catharina (1620 - 1693) und deren Ehemann Michael Wunsch übergegangen ist. Sollte der Übergang erst nach dem Tod von Jacob Hoch erfolgt sein, dann war als einmalige Abgabe das Besthaupt fällig, vielleicht eine Kuh im Wert von 15 fl oder wenigstens ein Schwein (3 fl). Bezogen auf das Vermögen von Jacob Hoch, das in der Zeit um 1635 auf 300 fl geschätzt wird (XLVII) ergäbe sich daraus eine Belastung zwischen 1 % und 5 %. Bei einer vorzeitigen Übergabe des Besitzes, der zwar aus der jüngeren Klosterzeit stammt, aber frei war von Handlohn und Weglöse, läge die Abgabe mit dem Bestkleid kaum über 1 %.

Am Beispiel des alten Meierhofs Reichenbach, der 1651 an Georg Muz (1610 - 1680, F 284) verkauft wurde, soll nun die Belastung eines privatisierten Klosterguts untersucht werden.

Wir können den Jahreserwerb des nach Feldern viel größeren Reichenbachs, der demnach auch mehr Personal verlangt und einen höheren "Mehrwert" erzeugt, mit 120 fl wohl etwas höher ansetzen als den Erwerb des "Obermartesbauern" in Heselbach. Zum Meierhof Reichenbach gehörte ein sehr großes Feldstück gleichen Namens von 34 Mannsmahd oder 51 Morgen im Reichenbacher Tal, das im Lagerbuch als "Ackher- und Wißveldt" bezeichnet wird (XXXV).

Orientiert man sich am heutigen Zustand, dann ist kaum vorstellbar, dass mehr als ein Drittel dieses großen Felds als Ackerland genutzt wurde. Zur Berechnung der Zehnten ziehen wir, weil die Klostergüter vom Heu- und Ohmdzehnten befreit waren, daher nur 17 Morgen gedachten Ackerlandes heran; dazu kommen knapp 5 Morgen des Ziegelackers und 3 Morgen auf dem Waldacker. Nehmen wir auch im Falle des Reichenbachs ein Drittel des Jahreserwerbs, also 40 fl, aus zehntpflichtigem Ackerland an, dann errechnet sich eine Zehntlast von 4 fl oder 240 x.

Die jährlichen Lasten auf dem privatisierten Meierhof können dann so zusammengestellt werden (XXXV):

  • Der (ungewöhnlich geringe) "Urbarzins" belief sich auf 1 fl, also 60 x.
  • Der Geldwert der Zehnten wurde auf 240 x geschätzt.
  • Die Steuer auf Catharinae betrug 3 fl oder 180 x.
  • Für die unentgeltlichen Fronen soll wie in den beiden Beispielen zuvor ein Wert zwischen 24 x und 36 x angenommen werden.

Die jährlichen Gesamtlasten des Georg Muz summieren sich dann auf rund 510 x oder 8,5 fl. Bezogen auf den Jahreserwerb von 120 fl ergibt sich eine jährliche Abgabenquote von (8,5 : 120) 7 %.

Um 1663 gelangt der Reichenbach in die Hände des jungen Franz Mast (1663 - 1714, F 90) und seiner Frau Catharina Frey (1637 - 1711). Weil Georg Muz noch lebt, kann der Übergang des Guts auf Franz Mast nur im Wege des Verkaufs geschehen sein. Somit waren Handlohn und Weglöse fällig, und zwar in einer Höhe von zusammen 2 fl. Bezogen auf den Kaufpreis des Hofs im Jahr 1651 von 1.200 fl (XXI) errechnet sich daraus eine Abgabenquote (2 : 1.200) im Promillebereich. Sie läge deutlich höher, aber auch dann nur zwischen 1 % und 2 %, beim Erbgang im Todesfall, wenn als Besthaupt ein Pferd oder eine Milchkuh fällig wäre.

Als viertes Beispiel wollen wir die Belastung eines Handwerkerhaushalts in Reichenbach analysieren und wählen dazu den Haushalt des Küfers Philipp Mast (ca. 1606 - 1676, F 29), der seit ungefähr 1642 das Haus mit der alten Nummer 41 vor dem Ochsentor besitzt. Das Haus war 1621 auf einer "Hofstatt" errichtet worden, die der Maurer Christian Bitsch im selben Jahr, zusammen mit 2 Morgen Land, um 30 fl erwarb. Über den Wert des errichteten Hauses haben wir leider keine Angaben. Wir wissen aber, dass das gegenüber liegende "Torhäuslein" (alte Nummer 42) 1624 zusammen mit 2 Morgen Land um 110 fl verkauft wurde und das "Haus an der Musbacher Steig" (alte Nummer 69) im selben Jahr zusammen mit 1 Morgen Land um 140 fl (XIII). Wir schätzen daher das Vermögen des Küfers Mast wahrscheinlich nicht zu gering ein, wenn wir das Haus und den inzwischen auf 3 Morgen angewachsenen Grundbesitz, einschließlich weiterer, allenfalls geringer Vermögenswerte mit insgesamt 300 fl ansetzen.

Den Jahreserwerb können wir wahrscheinlich genau so hoch veranschlagen wie im Falle des Taglöhnerhäusleins von Michael Wunsch, also mit 70 fl. Den Anteil aus zehntpflichtigem Ertrag schätzen wir, wenn wir bedenken, dass Philipp Mast zwar auch zum Heu- und Öhmdzehnten verpflichtet war, insgesamt aber nur über 3 Morgen Felder verfügte, etwas geringer ein als bei Michael Wunsch, also auf ein Sechstel - das sind rund 12 fl, aus denen sich eine Zehntabgabe von 72 x errechnet.

Damit zu den jährlichen Lasten des Haushalts von Philipp Mast insgesamt (XXXV):

  • An Zinsen ("Urbarzins") waren laut Lagerbuch abzuführen 9 x und eine "Fastnachtshenne" (im Wert von 12 x) für das Haus und 27 x für 3 Morgen Felder, zusammen also 48 x.
  • Die geschätzte Zehntabgabe beträgt 72 x.
  • Die Katharinensteuer bemisst sich nach Klosterordnung auf 15 x pro 100 fl Vermögen, bei einem Vermögen von 300 fl sind das dann 45 x.
  • Für unentgeltliche Fronen setzen wir die üblichen 24 x bis 36 x an.

Daraus errechnet sich eine jährliche Gesamtlast zwischen 189 x und 201 x, das sind gut 3 fl. Bezogen auf den Jahreserwerb von 70 fl ergibt dies eine jährliche Belastungsquote von (3 : 70) gut 4 %. Sie liegt wie erwartet beim neuen Handwerkerbesitz etwas höher als beim alten Taglöhnergütlein.

Beim Übergang des Besitzes von Philipp Mast in andere Hände waren auf jeden Fall Handlohn und Weglöse fällig, nämlich 2 fl für das Haus und je 30 x pro Morgen für die Felder, zusammen also 3,5 fl. War zusätzlich ein Besthaupt fällig, erhöhte sich die einmalige Abgabe, und zwar mit einem Schwein auf 6,5 fl und mit einer Milchkuh sogar auf 18,5 fl. Die Quote der einmaligen Abgabe bewegt sich also zwischen (3,5 : 300) knapp 1 % ohne Besthaupt und (18,5 : 300) gut 6 % mit einer Kuh als Besthaupt. Auch diese Werte liegen, wenn auch nur leicht, über denen des Taglöhnergütleins.

Als letztes Beispiel soll die Belastung eines Holzhauerhaushalts um die Mitte des 18. Jahrhunderts untersucht werden. Dazu wählen wir den Taglöhner Johann Georg (Hans Jerg) Sackmann (1744 - 1829, F 840) aus Besenfeld aus, der sich um 1767 auf dem Silberbuckel in Huzenbach niederließ. 1769, im "Tabellarischen Verzeichnis" (XXXI), ist seine dreiköpfige Familie ohne jeglichen Besitz. 1770 kauft er knapp 2 Viertel (Morgen) Grund und Boden und baut ein "Wohnhäuslen". Wenn das Häuschen 1840 nach Flurkarte und Kataster noch dasselbe ist, dann hat es eine Grundfläche von 110 qm, aufgeteilt in 65 qm Wohnraum, 30 qm Scheuer und 15 qm Holzschopf (vielleicht kann man sich das Haus noch ungefähr so vorstellen wie auf dem Foto aus dem Jahr 1994). 1773 erweitert Sackmann seinen Grundbesitz durch den Zukauf von 3 Vierteln auf insgesamt 5 Viertel (XXVII, XXVIII). Aus diesem geringen Besitz an Feldern lässt sich wohl nicht mehr als ungefähr ein Zehntel des Jahreserwerbs erwirtschaften.

Dieser ist im Falle der Familie Sackmann wohl geringer zu veranschlagen als in den Fällen des Taglöhners Wunsch und des Küfers Mast, einfach deshalb, weil das Arbeitspotential der damals üblichen 60-Stunden-Woche für Erwachsene des geringen Grundbesitzes wegen nicht zur Gänze produktiv werden konnte. Wir wollen daher den Jahreserwerb der Familie Sackmann mit 50 fl ansetzen, woraus sich ein Anteil von 5 fl aus zehntpflichtigen Erträgen und ein Zehnt von 30 x errechnet.

Daraus lässt sich die Jahreslast des Holzhauerhaushalts Sackmann so zusammenstellen:

  • An Zinsen müssen bezahlt werden für das Haus 10 x und eine "Rauchhenne" (12 x) und für die 5 Viertel Felder 20 x, zusammen also 42 x (XXXVI).
  • Den Geldwert der Zehnten aus 5 Vierteln haben wir mit 30 x veranschlagt.
  • Der Kaufpreis für Sackmanns Grundbesitz betrug rund 50 fl, dazu kommt das kleine Haus (XXVII, XXVIII) und eventuell weitere, allenfalls kleinere Vermögenswerte, alles in allem wohl kaum über 240 fl; daraus resultiert eine Steuerlast von 2,4 mal 15 x = 36 x jährlich.
  • Für unentgeltliche Fronen veranschlagen wir wie in den Beispielen zuvor einen Geldwert zwischen 24 x und 36 x.

Die jährliche Gesamtlast liegt dann zwischen 132 x und 144 x , das sind gut 2 fl.

Konfrontiert man den gedachten Jahreserwerb mit der oben geschätzten Jahreslast von 2 fl, dann kommt man auf eine Quote von (2 : 50) 4 % jährlicher Belastung.

Die einmaligen Abgaben im Veränderungs-, bzw. im Todesfall lassen sich so kalkulieren: Handlohn und Weglöse betrugen für das Haus und die ersten beiden Viertel Land 40 x und für die restlichen 3 Viertel 22 x, zusammen also 62 x oder rund 1 fl (XXVII, XXVIII). Trat die Veränderung durch Tod des Besitzers ein, war zusätzlich das Besthaupt abzugeben, im Falle des Holzhauers Sackmann wohl kaum mehr als eine Ziege (im Wert von 1 - 2 fl). Handlohn und Weglöse lägen damit bei einem geschätzten Vermögen von 240 fl im Promillebereich, käme das Besthaupt hinzu, läge die einmalige Belastung bei (2,5 : 240) 1 %.


3.2 Leistung des Staates  
 
Lässt man die fünf Beispiele für die Belastung der Bürger im Klosteramt Reichenbach noch einmal Revue passieren, dann scheinen die durchweg geringen Abgabenquoten nicht gut zu unserer geschichtlichen Vorstellung einer eher armseligen und bedrückenden Existenz der einfachen Leute zu passen. Ist diese Vorstellung demnach falsch?

Zunächst ist tatsächlich einzuräumern, dass geistliche Herrschaften, zu denen Reichenbach ja viele Jahrhunderte gehörte, in dem Ruf standen, ihren Untertanen nicht allzu viele Lasten aufzuerlegen - ein Ruf, der auch in der zeitgenössischen Erkenntnis "Unterm Krummstab ist gut leben" seinen Ausdruck fand. Insoweit die Württemberger mit dem Lagerbuch 1667/68 die alten Rechte erneuerten, knüpften sie an die Tradition der geistlichen Herren an, unabhängig davon, wie schwer oder wie leicht das Joch württembergischer Herrschaft sonst drückte.

Des weiteren ist zu bedenken, dass die Frage, wie bedrückend die eigene Existenz empfunden wird, nicht nur abhängig ist von der Quote der Abgaben, die auf Jahreserwerb und Vermögen ruht, sondern auch von der Höhe der beiden Basiswerte selbst. Anders formuliert: Als bedrückend mögen im Klosteramt nicht primär die, sagen wir, 5 % Abgaben empfunden worden sein, sondern der bei geringen Unterschieden generell niedere Lebensstandard, also die Basis von 100 %. Hinzu kamen klimatische Bedingungen, die in die Naturgeschichte als "Kleine Eiszeit" (ca. 1450 - 1800) eingegangen sind und durch lange Winter und nasse Sommer geprägt waren, die manche Ernte gefährdet haben mögen.

Bedrückend an der Abgabenquote musste indessen sein, dass sie in besonderen Situationen die Existenz der betroffenen Bürger durchaus gefährdete: Wenn zum Beispiel die Kirchenglocke zum Heuen für das Kloster rief und das eigene Heu vor aufziehendem nassen Wetter nicht geschützt werden konnte; oder wenn der jungen Witwe eines verunglückten Taglöhners als Besthaupt die Ziege, die einzige Milchquelle der Kinder, aus dem Schopf weggeführt wurde. Der Prior mag da als Gottesmann Barmherzigkeit geübt haben, aber auch die nüchterne, zweckrationale Bürokratie des Herzogs?

Damit kommen wir zu einer ersten Abgrenzung staatlicher Leistungen: zu ihnen gehörte weder der Schutz vor Verelendung - Witwen, Waisen, Kranke, Behinderte waren immer von Elend bedroht, noch Sozialleistungen auch nur bescheidenen Umfangs - von Sozialtransfers, wie wir sie heute für geboten halten, ganz zu schweigen.

Fragt man weiter nach staatlichen Leistungen, dann wäre an den kulturellen Auftrag des Staates zu denken. Tatsächlich wurde eine einfache Schulbildung im Klosteramt geboten, sie musste aber, nicht anders als die weiterführende Bildung und Ausbildung in Freudenstadt und Tübingen, zusätzlich bezahlt werden - was ihre Zugänglichkeit faktisch wieder einschränkte.

Denkt man bei staatlichen Leistungen an Verkehrswege und Versorgungsnetze, dann war im Klosteramt in der Tat eine bescheidene, aber wohl zeitgemäße Infrastruktur vorhanden. Doch erfolgte Errichtung und Pflege dieser Infrastruktur, wie wir gesehen haben, in weiten Teilen durch unentgeltliche Fronarbeit der Bürger.

Mehr und mehr schält sich also heraus, dass der nach heutigen Maßstäben geringen Abgabenquote eine auch nur geringe Leistung des Staates gegenüber gestanden haben kann. Worin aber, um zu einer positiven Definition staatlicher Leistungen zu kommen, bestanden diese im Klosteramt? Es waren wohl die beiden Urleistungen staatlicher Organisation: die Garantie von Recht und Ordnung und der militärische Schutz vor äusserer Gefahr. Man darf freilich beide Leistungen nicht gering achten, namentlich nicht zu einer Zeit, da die Bevölkerung über dreißig Jahre hinweg Überfällen und Plünderungen und generell allerlei Ungesetzlichkeiten ausgeliefert war.

 
 
Typoskript: 05/07
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Aktualisierung: 05/07
Der Buchstabe F mit nachfolgenden Ziffern verweist auf das Ortssippenbuch von G.Frey (1987)