Abgaben und Fronen im Klosteramt
Reichenbach (Teil 1): Übersicht |
Wer
sich einen Überblick über die Abgaben und ihre
Verteilung auf Dörfer und Bürger des Klosteramts
verschaffen will, muss sich darüber im klaren sein, dass
er es mit drei historischen Schichten zu tun hat. Dies
lässt sich besonders gut am Beispiel der Zinsen
verdeutlichen. Zinsen für verliehene Güter werden schon
in vorklösterlicher Zeit erhoben, das heißt von den
damals weltlichen Herren den nachgeordneten Bauern
auferlegt, wobei jede Herrschaft nach eigenem Ermessen
verfuhr. Die dem Kloster später gestifteten Güter
brachten daher jeweils ihr eigenes Zinssystem in die neue
Herrschaft ein. Weil das Kloster viele Stifter hatte und
die neuen Herren, der Prior und die Vögte, altes Recht
nicht antasteten, herrschte von vornherein Vielfalt, um
nicht zu sagen Ungleicheit der Zinsbelastung. Anpassungen des Zinses an den Zeitwert der Güter scheint es nur bei Teilungen gegeben zu haben, jedenfalls liegt die Summe des Zinses geteilter Güter regelmäßig über dem Zins des ungeteilten Besitzes. Diese Anpassungen, weil sie nicht generell, sondern nur fallweise geschahen, vermehrten noch die Vielfalt der Zinsbelastung. Schließlich wurde, was in der Klosterzeit allerdings selten war, neu vergabtes Land mit einem zeitgemäßen und daher deutlich höheren Zins belastet. So treffen wir schon in der Klosterzeit auf eine enorme Spannweite des Zinses vom sehr geringen Zins auf alten Gütern über den aus Anlass von Güterteilungen angepassten Zins zum vergleichsweise hohen Zins neu verliehener Güter. Die württembergische Herrschaft nach 1595 sah offenbar in der Vereinheitlichung des Zinses kein erstrebenswertes Ziel, vielmehr beließ sie den alten Zins, "Ewiger Zins" genannt, wo er bereits bestand, und schuf daneben einen neuen Zins, den "Urbarzins". Er wurde, weil die Württemberger den Verkauf von Gütern der Verleihung vorzogen, auf verkauftes Land (und auf "Hofstätten" oder Wohnhäuser) erhoben und betrug bei seiner Einführung einheitlich 9 x (= Kreuzer) pro Morgen Land - ein relativ hoher Zins, wenn man bedenkt, dass ein altes Lehensgut aus Hof und allen Feldern einen Ewigen Zins von ungefähr 30 x zu entrichten hatte. Neben dem Urbarzins führte Württemberg für neu vergabte Güter eine weitere Abgabe ein, die eigentlich der Leihe zugehört, in der Klosterzeit aber nicht erhoben wurde: "Handlohn und Weglöse"; das war eine Abgabe, die beim Besitzerwechsel, sei es durch Verkauf oder im Erbgang, fällig wurde, wobei im Falle des Verkaufs die Weglöse wohl vom alten Besitzer und der Handlohn vom neuen Besitzer zu bezahlen war (XII, XIII, XXI, XXXV). Eine ähnliche Entwicklung wie bei den Zinsen lässt sich auch bei der Belastung durch Zehnten und Steuern verfolgen. Zu den herkömmlichen Zehnten, die wohl bis in die vorklösterliche Zeit zurückreichen, dem "Großen Zehnt" und dem "Kleinen Zehnt" sowie dem "Kleinen lebendigen Zehnt", führte Württemberg für neue Güter (ausgenommen die privatisierten Klostergüter) zusätzlich den "Heu- und Öhmdzehnt" ein (XII, XIII, XXXV). Steuern, es gab die "Maiensteuer" und die "Herbststeuer", wurden wahrscheinlich von den baden-ebersteinischen Vögten des Klosters eingeführt - jedenfalls stand der Markgrafschaft Baden noch 1667/68 (Lagerbuch) die Hälfte der Maiensteuer (die andere Hälfte ging in der Nachfolge Ebersteins an Württemberg) und die gesamte Herbststeuer zu. Auch diese, angesichts der Tatsache, dass Baden im württembergischen Klosteramt keine hoheitliche Funktion mehr hatte, kuriose Ordnung ließ Württemberg unangetastet und führte für neue Güter eine neue Steuer ein, die "Steuer auf Catharinae". Die Katharinensteuer startete mit einem einheitlichen Steuersatz von 15 x auf 100 fl (= Gulden) Wert der besteurten Immobilien und lag damit eheblich über den herkömmlichen Steuern aus der Klosterzeit (XXI, XXXV). Schon die grobe Übersicht, Details sollen dem zweiten Teil der Studie vorbehalten bleiben, macht deutlich, dass das Nebeneinander verschiedener Abgabensysteme zu ungleicher Belastung führte, die als ungerecht bezeichnet werden konnte. Dies mag bei den neuen Besitzern der meist kleinen Güter in Reichenbach und später in den Holzhauersiedlungen auch so empfunden worden sein. Doch muss insgesamt ein Begriff von Gerechtigkeit vorgeherrscht haben, der als gerecht ansah, was überkommen war, das "gute alte Recht". Es war also weder ein Versäumnis des Priors und der Vögte, noch des württembergischen Herzogs, wenn die alten Ordnungen des Abgabenwesens erhalten blieben, sondern Ausdruck des vorherrschenden Rechtsempfindens. 1667/68, mit dem neuen Lagerbuch hätte Württemberg die Gelegenheit gehabt, ein neues, einheitliches Recht zu schaffen; es wurde aber, neben neuem Recht für neue Fälle, vor allem das alte Recht wieder in Kraft gesetzt. Folgerichtig trägt das Lagerbuch den Titel "Erneuerung". Das Lagerbuch von 1667/68 (XXXV) und die Beilagerbücher der Jahre 1749 bis 1806 (XXXVI) sind denn auch die wichtigsten Quellen für die nachflogenden Erörterungen. |
Typoskript:
05/07 Druckversion: - Internetversion: 05/07 Aktualisierung: 05/07 |
Der Buchstabe F mit nachfolgenden Ziffern verweist auf das Ortssippenbuch von G.Frey (1987) |