Studien
 
Der Waldknechtshof in der Tradition des Ochsenguts
 
1. Das Amt des Waldknechts

2. Die Waldknechte in württembergischer Zeit

3. Ochsengut und Waldknechtshof

 
Betrachtet man den Waldknechtshof mit seinen dicken Mauern, den gewaltigen Balken und dem eindrucksvollen Dach, so mag man nicht glauben, dass dieser Hof die Wohnstatt eines "Knechts" gewesen sein soll, wie es auch ganz unvorstellbar ist, dass der Taglöhner Martin Teuffel aus Schwarzenberg, der erste Waldknecht in württembergischer Zeit, ein solches Haus gebaut haben könnte. Wir können nicht einmal sicher sein, dass er ein eigenes Haus besaß. 1604, als ein Schätzungsregister für das Klosteramt aufgestellt wird (VI), ist er jedenfalls ohne Hausbesitz; sein Vermögen wird auf 100 fl. (Gulden) geschätzt, während das Vermögen der Lehensbauern auf 1000 fl. und mehr veranschlagt wird.

Zweihundert Jahre später, 1804, ist der Waldknecht und Sonnenwirt Johann Georg Klumpp aus Schwarzenberg der reichste Mann im Klosteramt: sein Vermögen wird auf 60.000 fl., ja sogar auf 100.000 fl. geschätzt, sein Amt als Waldknecht trägt ihm jährlich 500 fl. ein. Wir entnehmen diese Zahlen (nach H. Rommel, 1957) einem Bericht des Pfarrers Friedrich August Köhler, der 1804 die Umgebung Freudenstadts durchwanderte, ehe er 40 Jahre im Pfarramt von Marschalkenzimmern wirkte; er ist bekannt für seine genauen geographischen Beschreibungen und statistischen Daten.

Was aber hat sich in den zweihundert Jahren zwischen 1604 und 1804 geändert? Auf diese Frage sind zwei Antworten möglich. Die erste könnte lauten: die Rekrutierung der Waldknechte aus den ärmeren Schichten blieb erhalten, die Amtsträger wurden jedoch durch das Amt wohlhabend. Die zweite Antwort könnte sein: Mit den verbesserten Einkünften lockte das Amt Personen aus den wohlhabenden Schichten an, die ihren Wohlstand mit dem Amt mehrten. Wir werden im zweiten Abschnitt sehen, dass die zweite Hypothese ihre Bestätigung findet. Dabei werden wir erkennen, dass der Waldknechtshof in der Tradition eines Meiereiguts des alten Klosters, des so genannten Ochsenguts, steht. Dieser Tradition spüren wir im dritten Abschnitt nach. Zunächst aber, im ersten Abschnitt, skizzieren wir das Amt des Waldknechts.

 
1. Das Amt des Waldknechts

Das württembergische Klosteramt Reichenbach kannte drei verschiedene "Knechte":

  • den Amtsknecht als Bediensteten der staatlichen Amtsverwaltung;
  • den Kastenknecht als Bediensteten der kirchlichen Armenpflege, des "Kastens";
  • den Waldknecht.

In der frühen württembergischen Zeit werden die Amtsbezeichnungen "Waldschütz" und "Forstknecht" gleichbedeutend zur Bezeichnung "Waldknecht" und sogar häufiger als diese gebraucht. Im 18. Jahrhundert sind jedoch die "Forstknechte", die wir namentlich in Röt finden, nicht identisch mit den Waldknechten, sondern vielleicht diesen nachgeordnet. Von der Mitte des 18. Jahrhunderts an finden wir im Klosteramt regelmäßig zwei Waldknechte, in der Zeit davor meist nur einen.

Die Waldknechte wurden schriftlich auf ihr Amt verpflichtet und vereidigt. Drei dieser Verpflichtungen und Vereidigungen ("Staat und Aid" genannt) aus den Jahren 1763, 1782 und 1790 sind erhalten geblieben (XXIX). Die Dokumente sind im Inhalt, zum Teil sogar in der Formulierung identisch und enthalten präzise Beschreibungen der Aufgaben eines Waldknechts. Dieser soll insbesondere

  • den Wald täglich "visitieren", um Waldschäden und Waldfrevel zu verhüten oder frühzeitig zu entdecken;
  • die Grenzmarkierungen der "Weitreiche" des Klosters überprüfen;
  • die Passierbarkeit von "Weeg, Steeg und Brücken" sichern;
  • das zu schlagende Holz des staatlich-kirchlichen "Closterwalds" auswählen und darüber Buch führen;
  • das zu schlagende Holz der "Kommun- und Privatwaldungen" auszeichnen.

Die Waldknechte scheinen beritten gewesen zu sein: Martin Teuffel verunglückt 1621 tödlich, als er, wie im Totenbuch von Schwarzenberg (LI) nachzulesen ist, mit seinem Pferd vom Rauhen Felsen stürzt. Bedenkt man jedoch die Größe und den Waldreichtum des Klosteramts, zu dem ja auch die Dörfer Hochdorf, Igelsberg, Obermusbach und Schernbach gehören, dann wird deutlich, dass der Waldknecht auf alle Fälle ein strapaziöses Amt versieht. Gleichwohl scheint vor 1750 die Bestellung von zwei Waldknechten eher die Ausnahme zu sein, danach aber wird sie zur Regel. Die Wälder werden aufgeteilt in die "obere Huth", zu der Reichenbach, Heselbach, Igelsberg, Obermusbach und Schernbach gehören, und die "untere Huth" mit Schwarzenberg, Röt und Hochdorf. Für jede Hut wird ein Waldknecht bestellt (XXIX).

Mit der Aufgabe scheint auch die Besoldung geteilt worden zu sein, jedenfalls war dies beim "Besoldungsholz" so: vor der Teilung erhielt der Waldknecht jährlich 100 Plöcher (Sägklötz) oder 25 "Plöcherbäum", die seit 1742 mit 16 fl. in Geld ausbezahlt wurden; nach der Teilung erhielt jeder Waldknecht 8 fl. (XXVI, XXIX). Des weiteren gab es für jeden an Geld 15 fl. und einen als "Hauszins" bezeichneten Betrag von 3 ½ fl. sowie an Naturalien je drei Scheffel Dinkel, Hafer und Roggen pro Jahr (1 Scheffel = 177,2 l). Dies war die Besoldung in Geld und Naturalien für die Arbeit im Klosterwald.

In den Kommun- und Privatwäldern wurde von den Waldknechten das "Zeichengeld" für das Auszeichnen der Bäume und ein Tagegeld für andere Arbeiten im Wald, vor allem das "Visitieren", erhoben. Über die Höhe beider Gelder finden wir in den Verpflichtungen und Vereidigungen keinen Hinweis. Aus einer anderen Quelle (XXV) geht jedoch hervor, dass das Zeichengeld ein Sechzigstel des Wertes des ausgezeichneten Holzes betrug: von einem Gulden also ein Kreuzer. Davon konnten die Waldknechte zunächst jeder ein Drittel, später zusammen die Hälfte aus beiden Huten und schließlich jeder die Hälfte aus seiner Hut privat vereinnahmen. Ferner bekamen die Waldknechte von den Einnahmen aus Geldstrafen und Gebühren jeder ein Drittel (XXV, XXIX).

Wir finden also die für frühere Zeiten charakteristische Mischung der Besoldung aus verschiedenen Quellen, aus festen und variablen Einkommen sowie aus Naturalien und Bargeld. Analysiert man die Besoldung, dann wird rasch erkennbar, dass die Waldknechte, wenn sie ihren Wohlstand steigerten, nicht vom Sold des Herzogs reich werden konnten: der Geldbetrag von alles in allem 26 ½ fl. jährlich entsprach um 1750 dem Gegenwert einer Milchkuh (wir wissen das aus den "Inventuren, Theylungen und Traditionen", die den Besitz der Bürger nach dem Geldwert veranschlagen - XLVIII).

Es verwundert daher nicht, dass der Waldknecht der unteren Hut, Johann Georg Klumpp aus Schwarzenberg, im Jahr 1783 nachdrücklich eine Besoldungszulage von der Kanzlei des Herzogs fordert (es ist derselbe J.G. Klump, über dessen Reichtum der Pfarrer Köhler 1804 berichtet). Als ihm endlich ein - wie es scheint: einmaliges - "gratial" (ein Dankgeschenk) an zusätzlichem Dinkel und Roggen angeboten wird, beschließt der stolze Waldknecht, "davon keinen Gebrauch zu machen" (XX).

Noch mehr Anlass zur Unzufriedenheit gab das Besoldungsholz (XXVI). Es wurde ursprünglich in natura abgegeben. Ab 1720 brachten jedoch technische Probleme und politische Störungen am mittleren und unteren Lauf der Murg, der nicht württembergisch war, die gewohnte Plöcherdrift zum Erliegen. Damit wurde das Holz von der Ausfuhr weitgehend abgeschnitten und schwer verkäuflich. Auf mehrfaches Bitten wurde daher 1742 der Geldwert des Holzes auf 16 fl. für 100 Plöcher (Sägklötz) festgelegt. Die Fixierung des Geldwertes blieb in den folgenden Jahrzehnten unverändert, obwohl der Waldknecht Philipp Andreas Klumpp aus Schwarzenberg schon 1752 vorrechnet, dass der Wert von jetzt 50 Plöchern auf über 13 fl. gestiegen sei. Er bittet daher um Abgabe des Besoldungsholzes wieder in natura. Wir kennen den Bescheid aus Stuttgart nicht - doch offenbar war er negativ, denn die Bezahlung mit Geld blieb bestehen. Auch wurde der Geldwert des Holzes nicht erhöht: er beträgt 1790 (Johann Adam Klumpp wird Waldknecht der oberen Hut) noch immer 8 fl. für 50 Plöcher (XXIX).

Es kann also keinen Zweifel darüber geben, dass die Besoldung der Waldknechte aus der herzoglichen Kasse außerordentlich knapp ausfiel und kaum geeignet war, das Interesse wohlhabenderer Schichten an dem Amt zu wecken. Damit werden die Einnahmen, insbesondere das Zeichengeld, aus den Kommun- und Privatwäldern als die weitaus wichtigere Einkommensquelle der Waldknechte wahrscheinlich - namentlich dann, wenn der Holzhandel blüht und viel Holz eingeschlagen wird. Diese Voraussetzung war vor und vor allem während des Dreißigjährigen Krieges gewiss nicht gegeben. In der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts kommt der Holzhandel jedoch zunehmend in Schwung und sorgt für immer größere Einschläge bis hin zum Raubbau gegen Ende des 18. Jahrhunderts. Das Zeichengeld, obwohl anteilmäßig gering, wächst zu beträchtlichen Summen an.

Damit wird das Waldknechtsamt auch für Personen attraktiv, die ein höheres Einkommen gewohnt sind als die ärmliche Besoldung der frühen Waldknechte aus der herzoglichen Kasse. Der Herzog wiederum macht sich das Interesse der wohlhabenden Bürger in der Weise zunutze, dass er die Vergabe des Amtes an eine "förmliche Bürgschaft" in Höhe von 100 fl. bindet, die vor Dienstantritt zu entrichten ist. Diese Bürgschaft ist ab 1763 nachweisbar (XXIX) und vielleicht ein paar Jahrzehnte älter, der Frühzeit gehört sie aber bestimmt nicht an.

Dieser Verlauf verstärkt die Hypothese, dass sich in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts die Rekrutierung der Waldknechte in der Weise änderte, dass eher arme Bewerber durch eher wohlhabende Bewerber abgelöst werden. Klarheit kann aber nur eine Analyse der Amtsinhaber bringen, die wir im folgenden Abschnitt durchführen wollen.

2. Die Waldknechte in württembergischer Zeit

Wir kennen nicht alle Personen, die das Amt des Waldknechts ausgeübt haben. Wir wissen daher auch nicht, ob diejenigen, die wir kennen, repräsentativ sind für alle - also auch für diejenigen, die wir nicht kennen. Aussagen über alle Waldknechte sind daher riskant. Dennoch fällt auf, dass die ersten Waldknechte in württembergischer Zeit mindestens eines von zwei Merkmalen gemeinsam haben: sie stammen nicht aus den eingesessenen Familien und sind eher arm als wohlhabend. Ihr sozialer Status kommt dem eines "Knechts" durchaus nahe und ist vergleichbar dem Status der beiden anderen Knechte, die das Klosteramt kennt: Amtsknecht und Kastenknecht. Gehen wir die Personen kurz durch, die in den ersten Jahrzehnten nach 1595 das Amt des Waldknechts ausüben:

  • Der erste Waldknecht in württembergischer Zeit ist wohl, wie eingangs schon erwähnt, Martin Teuffel (†1621, F 492) aus Schwarzenberg gewesen. Seine familiäre und regionale Herkunft kennen wir nicht, er stammt aber sehr wahrscheinlich nicht aus dem Klosteramt. Seine Vermögensverhältnisse wurden bereits skizziert. 1604 ist er der einzige Waldknecht im Klosteramt (VI), 1610 teilt er das Amt mit Conrad Morlock (VIII).
  • Auch Conrad Morlock (F 51) von den Höfen im Tonbach muss zugezogen sein, denn wir finden seinen Namen vorher nicht - so wird er zum Stammvater der Morlocks im Klosteramt. 1604 besitzt er keine Liegenschaften, immerhin aber ein Vermögen von 500 fl. (VI), das in dieser Höhe überrascht; 1610, im Bürgerbuch (VIII), ist er "Vorstknecht" auf den Höfen im Tonbach.
  • Der Nachfolger Martin Teuffels nach dessen Unfalltod 1621 ist sehr wahrscheinlich Jacob Elsenhans (F 1505) gewesen. Auch er stammt nicht aus dem Klosteramt und gibt wohl nur ein kurzes Gastspiel: Wir finden ihn zwischen 1622 und 1624 im Taufbuch von Schwarzenberg als "Vorstknecht", danach nicht mehr (LI).
  • Jetzt könnte Philipp Schwemblin (F 491), der erste Mann der Anna Teuffel, in das Amt seines Schwiegervaters eingerückt sein (LI). Vater Gallus Schwemblin (†1618, F 416) muss vor 1600 ins Klosteramt eingewandert sein; er ist zunächst Hofbauer in Huzenbach (VI) und dann in Schwarzenberg, wo er die Witwe Christmann Brauns (†1611, F 231) heiratet (VIII, LI). Der Braun'sche Hof bleibt jedoch in den Händen der Familie Braun, so dass Philipp Schwemblin wahrscheinlich keine liegenden Güter besitzt.
  • Zur Zeit des Lagerbuchs 1667/68 ist Hans Sommer (†1684, F 262) aus Heselbach Waldknecht (XXXV). Sein Name ist fremd im Klosteramt, so dass wir annehmen müssen, dass auch er zugezogen ist. Woher er kam, wissen wir indes (wie so oft) nicht. Dass er später, obwohl nicht eingesessen, Schultheiß in Heselbach wird, ist ungewöhnlich. Hans Sommer stirbt 1684 als Waldknecht und Schultheiß (L).

Das Lagerbuch nennt mit Hans Sommer nur einen Waldknecht. Er muss aber schon bald Konkurrenz bekommen haben, denn wir finden 1673, wahrscheinlich neben ihm, den Klostermaier Bernhard Klumpp (1606 - 1692, F 4) aus Reichenbach im Amt des Waldknechts (XXV). Er ist seit 1651 Eigentümer des Ochsenguts, des reichsten der vier ehemaligen Klostergüter (XXI). Das Jahr 1673, das die Waldknechts-Dynastie der Familie Klumpp begründet, mag zugleich als Wendemarke in der Rekrutierung der Waldknechte gelten: ab jetzt finden wir insbesondere in den Nachkommen des Bernhard Klumpp die begüterten und eingesessenen Inhaber des Waldknechtsamts.

Weil Bernhard Klumpp 1668 noch nicht Waldknecht war, muss er deutlich über sechzig Jahre alt gewesen sein, als er sich für das kraftzehrende Amt bewarb. Doch schon 1673 (XXV), er kann allenfalls ein paar Jahre im Amt gewesen sein, bittet er darum, ihm einen Gehilfen und Nachfolger zu "adjungieren" - und zwar seinen Sohn! Bernhard Klumpp übernimmt also ein Amt, dem er körperlich kaum mehr gewachsen sein kann, und gibt es, nachdem er dies erkennt, nicht einfach wieder auf, sondern will es behalten, um es in der Familie zu halten. So sprechen denn alle Anzeichen dafür, dass Bernhard Klumpp, der begüterte "Ochsenmeier", allergrößten Wert auf das Amt des Waldknechts legt.

Zwar lehnt die Kanzlei des Herzogs eine förmliche Ernennung des Sohnes zum Adjunkten ab und empfiehlt statt dessen, den Sohn, er ist 21 Jahre alt, erst einmal einzuarbeiten (XXV) - im Ergebnis jedoch, wir wissen leider nicht, wann und wie (aber wohl nicht allzu früh), folgt Johann Georg Klumpp (* 1652, F 11) seinem Vater als Waldknecht nach.

Die Absicht, das Waldknechtsamt in der Familie Klumpp zu halten, lässt sich anhand dreier weiterer Fälle dokumentieren:

  • 1763 erhält Philipp Andreas Klumpp (1697 - 1774, F 14) aus Schwarzenberg die herzogliche Erlaubnis, das Amt des Waldknechts an seinen Sohn Johann Georg Klumpp (1747 - 1807, F 1263) abzutreten (XXV), über dessen Reichtum Pfarrer Köhler vierzig Jahre später erstaunt berichtet.
  • 1790 tritt Christian Klumpp (1732 - 1809, F 510) aus Reichenbach das Amt mit Genehmigung des Herzogs an seinen Sohn Johann Adam Klumpp (1760 - 1822, F 568) ab (XXIX).
  • 1799 wird dem Waldknecht Johann Georg Klumpp (F 1263, s.o.) aus Schwarzenberg gestattet, seinen Sohn Franz Carl Klumpp (* 1780) als Gehilfen einzustellen (XXV).

Das insgesamt erfolgreiche Bemühen, das Amt in der eigenen Familie zu halten, hat eine richtige Waldknechts-Dynastie der Familie Klumpp entstehen lassen. Auf den Stammvater Bernhard Klumpp folgt in jeder Generation ein Waldknecht aus der Familie Klumpp. Die "Reichenbacher-Linie", später beschränkt auf die obere Hut, besteht aus folgenden Vätern und Söhnen (XXV, XXIX, L):

  • Bernhard Klumpp (1606 - 1692, F 4), zugleich Ochsenmeier
  • Johann Georg Klumpp (* 1652, F 11), zugleich Ochsenmeier
  • Johann Conrad Klumpp (1693 - 1759, F 314), zugleich Ochsenmeier
  • Christian Klumpp (1732 - 1809, F 510), zugleich Ochsenmeier
  • Johann Adam Klumpp (1760 - 1822, F 568), bis ca. 1794 auch Ochsenmeier, 1815 Schultheiß

Die Übergabe des Amtes an den Sohn gelang vor 1750 wohl nicht immer nahtlos; das gab Außenseitern eine Chance, die "Erbfolge" der Familie Klumpp zu durchbrechen. So finden wir Conrad Braun (1660 - 1724, F 197) um 1700 (L) und Christoph Heinrich Müller (F 1316) um 1740 (XXVI) im Amt des Waldknechts.

Im Gegenzug, so könnte man beinahe sagen, begründen die Klumpps eine zweite Waldknechtslinie, die "Schwarzenberger-Linie", zuständig für die untere Hut. Diese Linie geht aus von Philipp Andreas Klumpp (XXV), einem Enkel des Bernhard Klumpp, der aus der Gastmeisterei in Reichenbach hervorging und in Schwarzenberg Agatha Morlock, die Erbin eines alten Lehenshofes, der späteren "Sonne", heiratete (LI). Auch die Schwarzenberger Klumpps stellten in jeder Generation einen Waldknecht:

  • Philipp Andreas Klumpp (1697 - 1774, F 14), zugleich Lehensbauer und Wirt ("Sonne")
  • Johann Georg Klumpp (1747 - 1807, F 1263), zugleich Lehensbauer und Sonnenwirt
  • Franz Carl Klumpp (* 1780), 1799 Gehilfe

Franz Carl Klumpp konnte seinem Vater im Amt des Waldknechts nicht mehr nachfolgen: er zog 1803 nach Simmersfeld. Auch sonst scheint es keinen Nachfolger mehr für Johann Georg Klumpp gegeben zu haben. Er amtiert bis zu seinem Tod 1807. Bald darauf, um das Jahr 1810, wird das Waldknechtsamt wohl infolge der Auflösung des Klosteramts (1807) aufgehoben. Wir können diesen Vorgang sehr gut im Kirchenbuch von Reichenbach verfolgen: Johann Adam Klumpp ist 1809 noch Waldknecht, 1811 aber "gewesener Waldknecht". Damit enden Amt und Dynastie. Erhalten blieb der Hof, den die Reichenbacher Waldknechte und Ochsenmeier in ihrer Blütezeit errichteten und bewohnten.

3. Ochsengut und Waldknechtshof

Wir haben gesehen, dass das Amt des Waldknechts seit den Tagen Bernhard Klumpps eng verbunden ist mit den Besitzern des Ochsenguts: den Ochsenmeiern. Diese Verbindung legt die Vermutung nahe, dass es auch eine enge Beziehung geben könnte zwischen dem alten Ochsengut und dem jüngeren Waldknechtshof. Welcher Art diese Beziehung ist, wollen wir zum Abschluß untersuchen.

Vom Ochsengut wissen wir nur, dass es einst innerhalb der Klostermauern und wohl in der Nähe des Ochsentors lag. Es muss relativ frei gestanden haben, denn 1668 im Lagerbuch hat es keine direkten Nachbarn, sondern steht "allerseits zwischen deß Closters Allmeindt". Weil die Südwestecke der Ringmauer eng ist und von der mächtigen Klosterscheuer, die den Schaffnern zur Verfügung steht, beherrscht wird, muss man das Ochsengut wohl ostwärts der Straße suchen: zwischen dem Südflügel des Klosters und dem alten Reichenbach. Auf den frühesten Flurkarten findet man für diese Hypothese leider keine Anhaltspunkte mehr.

Gewiß ist indessen, dass das Ochsengut früher oder später nach draußen verlegt wurde. H. Rommel vermutet (1957), dass dies schon 1619 geschah. Diese Vermutung wird durch das Lagerbuch von 1668 allerdings nicht bestätigt. Aus einer anderen Quelle geht dagegen hervor, dass das Ochsengut noch 1768, also hundert Jahre später, innerhalb der Ringmauer lag und erst im folgenden Jahr auf der Ochsenwies neu gebaut wurde. Am 4. Oktober 1768 berichtet der Waldknecht und Ochsenmeier Christian Klumpp an die Kanzlei des Herzogs folgendes (Faksimile):

Die zu meinem Clösterl. Meierey- und Lehenguth gehörige Behaußung innerhalb des Closters Ringmauer gelegen ist durch die Länge der Zeit an Holz und Mauerwerk so schadhaft und baufällig geworden, daß ich selbige ohne Lebensgefahr nicht länger bewohnen kann. Ich bin demnach Noth gedrungen ein neues Hauß von Grund aufführen zu lassen, gedenke aber selbiges nimmer auf den alten Plaz, sondern außerhalb dem Closter oben auf mein Wießfeld, die Ochsenwieß genannt, zu sezen.

Schon am 14. Oktober 1768 erhält Christian Klumpp die Baugenehmigung und verfügt 1769, im "Tabellarischen Verzeichnis" (XXXI), bereits über zwei Häuser. Das neue Ochsengut muss daher 1769 errichtet worden sein. Dies scheint auch das Baujahr des Waldknechtshofs zu sein. Es wird aber noch ein anderer Hof in der Tradition des Ochsenguts gesehen, der an der Stelle des heutigen Rathauses stand und um 1800 im Besitz des Waldknechts Johann Adam Klumpp ist (XXVII) - dem Sohn des Christian Klumpp, der das Ochsengut nach draußen verlegte. Auch dieser Hof kommt demnach als Nachfolger des Ochsenguts in Frage.

In seinem Baugesuch von 1768 macht Christian Klumpp Angaben über die Grundfläche des geplanten Hauses (XXVII): es soll 100 Schuh (28,6 m) lang und 50 Schuh (14,3 m) breit werden. Länge und Breite stehen also im Verhältnis von 2 : 1 zueinander, die Grundfläche beträgt ca. 410 qm. Zieht man nun die frühesten Flurkarten und Kataster aus der Zeit um 1840 heran (LII), so findet man im Haus 24, dem heutigen Waldknechtshof, die erwarteten Maße und Proportionen (sieht man von einem später im Westen angebauten "Wagenschopf" ab).

Im Kataster finden wir auch die Besitzer des Gebäudes 24: Ludwig Finkbeiner und Johann Friedrich Frey.

Diese Namen überraschen zunächst, doch handelt es sich um die Schwiegersöhne des Ochsenmeiers Johann Christian Friedrich Klumpp. Die beiden Frauen, Christina und Jacobina Klumpp, sind seine Töchter und die Enkelinnen des Christian Klumpp, des Erbauers des Waldknechtshofs.

Damit steht fest, dass das Ochsengut, bis dahin innerhalb der Ringmauer gelegen, 1769 mit dem Waldknechtshof (Haus 24 auf der Flurkarte und im Kataster; Foto) neu errichtet wird. Es ist also der Waldknechtshof, der die Tradition des Ochsenguts unmittelbar fortführt.

Und der zweite Hof, der an der Stelle des Rathauses stand (Foto)? Wir finden ihn auf der Flurkarte mit der Nummer 25, kaum mehr als 20 m westlich des Waldknechtshofs: noch trennt keine Straße die beiden Höfe. Der Kataster weist als Besitzer um das Jahr 1840 den Bauern Johann Georg Klumpp aus (LII), der ein Enkel des Christian Klumpp und ein Sohn des Waldknechts und Schultheißen Johann Adam Klumpp ist (L). Der Ochsenmeier Johann Christian Friedrich Klumpp (Haus 24) und der Waldknecht und spätere Schultheiß Johann Adam Klumpp (Haus 25) sind also Brüder.

Die beiden Brüder richten am 19. September 1794 über das Klosteramt ein weiteres Baugesuch an die herzogliche Kanzlei (XXVII): sie bitten, auf der "Hauswies" des von ihrem Vater gebauten Hauses (des Waldknechtshofs) ein zweites Gebäude errichten zu dürfen. Auch dieses Gesuch wird anstandslos genehmigt, und zwar am 11. Oktober 1794. Der zweite Hof fällt mit einem Grundmaß von 80 Schuh (22,9 m) in der Länge und 50 Schuh (14,3 m) in der Breite zwar etwas kleiner aus, war aber sicher gleichfalls ein imposantes Gebäude. (In dem Heft "Klosterreichenbach. Ein Fotoalbum" finden wir unter der Nummer 6 ein Foto, das aus der Zeit vor 1895 stammt und die gewaltigen Dächer der nebeneinander liegenden Höfe gut erkennen läßt.)

Wir kennen aus den Baugesuchen auch die Mengen des verbauten Holzes recht genau; die Größenunterschiede zwischen beiden Höfen, die in der Grundfläche schon erkennbar wurden, werden beim umbauten Raum und damit beim Holzverbrauch noch deutlicher:

 
Holzart Haus 24 Haus 25
Eichenbauholz (Stämme) 30 10
Tannenbauholz (Stämme) 480 280
Sägklötz zu Brettern (4,8 x 0,42 m) 200 140
 
Angesichts dieser Holzmengen wird begreiflich, warum wir noch heute staunend das komplexe Balkenwerk des Waldknechtshofs betrachten, das glücklicherweise in unsere Zeit gerettet wurde.

Vergleicht man nun die Maße des zweiten, um das Jahr 1794 errichteten Hofs mit den Daten in der Flurkarte und im Kataster (LII), dann stellt man Übereinstimmung mit dem Gebäude 25 fest.

Um das Jahr 1794 muss also das Waldknechtsamt vom Ochsengut gelöst worden sein: Johann Adam Klumpp, Waldknecht seit 1790, behält das Amt und übernimmt den jüngeren Hof (Haus 25), er wird 1815 Schultheiß; Johann Christian Friedrich Klumpp, der jüngere Bruder, wird mit dem Haus 24 (dem heutigen Waldknechtshof) Besitzer des Ochsenguts. Damit steht das Haus 25 zwar in enger Beziehung zum Ochsengut, setzt aber als der jüngere, erst 1794 errichtete Hof, die Tradition des alten Guts nicht unmittelbar fort.

Typoskript: 08/96
Druckversion: Freudenstädter Heimatblätter, 04/97
Internetversion: 10/03
Aktualisierung: 10/03
Der Buchstabe F mit nachfolgenden Ziffern verweist auf das Ortssippenbuch
von G.Frey (
1987)