Die alten "Höfer im Tonbach" (Reichenbacher Höfe) im Klosteramt Reichenbach 1595 - 1807 |
1. Einleitung |
Um die Höfe im
Vorderen Tonbach hatte es lange Streit gegeben zwischen
dem Kloster Reichenbach und dem württembergischen
Baiersbronn - ein Streit, der 1557 vom
Reichskammergericht in der Weise geschlichtet wurde, dass
die drei nördlichen Höfe - der Vordere, der Hintere und
der Untere Hof - dem Kloster zugesprochen wurden und die
drei südlichen Höfe der Gemeinde Baiersbronn. Aus
Baiersbronner Sicht bekamen wohl jetzt die Höfe des
Klosters den Namen "Reichenbacher Höfe",
während in den Akten des Klosters weiterhin von den
"Höfern im Tonbach" die Rede ist. Das blieb
auch so, nachdem Württemberg 1595 das Kloster okkupiert
hatte und zehn Jahre später aus Reichenbach und den
alten Klosterdörfern das Klosteramt Reichenbach gebildet
hatte. Noch in der Klosterzeit, möglicherweise um 1555, kam es zu einer Teilung des Vorderen Hofs, so dass wir von diesem Zeitpunkt an, auf alle Fälle aber in württembergischer Zeit von vier Reichenbacher Höfen ausgehen müssen. Wir finden diese vier Höfe in den Dokumenten aus frühwürttembergischer Zeit (1595 - 1668), insbesondere im Lagerbuch 1667/68 (XXXV), dessen Höfer Teil aus dem Jahr 1668 stammt. Das Lagerbuch erlaubt auch eine recht zuverlässige Zuordnung von Hofbesitzern und Höfen, von der aus wir die Besitzverhältnisse bis zum Beginn der württembergischen Zeit zurückverfolgen können (Teil 2). An Quellen stehen insbesondere zur Verfügung ein Schätzungsregister aus der Zeit um 1635 (XLVII), das Steuerbuch aus dem Jahr 1612 (IX) und ein weiteres Schätzungsregister aus dem Jahr 1604 (VI). Quelle aller biographischen Daten sind die Kirchenbücher der Pfarrei Reichenbach (L). An der Vierzahl der Reichenbacher Höfe ändert sich bis zum Jahr 1769, in dem das Tabellarische Verzeichnis (XXXI) erstellt wurde, nichts. Doch verfügte Johann Adam Mast (1725 - 1816) auf dem Unteren Hof über zwei Häuser - möglicherweise der Beginn der Trennung von Mattheisenhof und Schlehenhof (Teil 3). Zwischen 1769 und 1807 jedoch nimmt die Zahl der Häuser auf den Höfen durch Teilung alter Güter und der Ausgründung eines neuen Hofs, aber auch mit der Errichtung der Mahlmühle und des Leibgedings beim Hinteren Hof rasch zu. Als 1807 mit der Einführung der Gebäudebrandversicherung zum ersten Mal Hausnummern vergeben wurden, bringen es die Reichenbacher Höfe auf neun (Teil 4). Zur Identifizierung der Gebäude sind die ersten Flurkarten und der Primärkataster aus der Zeit um 1840 (LII) nützlich. |
2. Die Höfe in frühwürttembergischer Zeit (1595 - 1668) |
Betrachten wir
zunächst die Situation auf den Höfen im Jahr 1668, die
relativ präzis im Lagerbuch (XXXV) dokumentiert ist, und beginnen wir - etwas
abweichend von der Reihenfolge im Lagerbuch - mit dem Hof
von (Hans) Conrad Frey (1609 - 1684, F
205). Dieser Hof erhält sein Wasser in Teucheln
"uß deß Closters waldt der grundt genannt",
das ist der Grundwald, der oberhalb der beiden Vorderen
Höfe zu suchen ist. Daraus wäre zu schließen, dass
Conrad Frey Besitzer eines dieser beiden Höfe ist. Und
daraus wiederum wäre zu folgern, dass es in
unmittelbarer Nachbarschaft einen zweiten Hof geben
müsste. Das ist auch so: Thomas Faißt (1609
- 1673, F 74), "sein Nachbar", gewinnt Wasser
für seinen Hof aus einer Verlängerung der
Teuchelleitung von Conrad Freys Hof "hinüb vor
sein, Faißten, Haus". Man kann diese Anordnung der
Wasserversorgung der beiden Vorderen Höfe
noch auf den frühen Flurkarten aus der Zeit um 1840
finden (LII; vgl. auch den Ausschnitt aus der Karte). Die Verwandtschaft der beiden Vorderen Höfe und ihre gemeinsame Herkunft aus einem Urhof, wobei man sich den Hof von Thomas Faißt als Abspaltung vorstellen kann, wird auch durch die Aufteilung und Größe der Feldstücke belegt. Mit 36, bzw. 29 Morgen (M) ist ihr Grundbesitz um einiges kleiner als der des Hinteren Hofs (43 M) und entschieden kleiner als die Felder des Unteren Hofs (min. 86 M). Beide Höfe verfügen über Wiesen von jeweils 15 M "under dem Hauß" und teilen sich den "Hinteracker". Die Felder des Theus (Matthäus) Braun (1591 - 1692, F 377) - er wird tatsächlich über 100 Jahre alt! - scheinen vor allem südlich des Hinteren Hofes zu liegen: die Au und die Lauswies nördlich des Tonbachs, die Winterhalde und die Mittelwies südlich des Tonbachs. Nördlich des Hofs findet man ein Ackerfeld namens "Gäu" (später: "Gaiacker" oder auch "Gaisacker") umgeben von Wald. Aus der Lage der Feldgüter und weil die Zuordnung des Unteren Hofs zu Michel Frey (wie wir gleich sehen werden) eindeutig ist, kann man schließen, dass Theus Braun Besitzer des Hinteren Hofes ist (Karte). Michel Frey (1629 - 1702, F 69) schließlich "hatt innen einen Hof im Thonbach", mit dem eine "Bleyhmihlen" (gemeint ist wohl eine "Pleuelmühle", das ist eine Stampfmühle) verbunden ist. Die Mühle wird betrieben aus einem Wassergraben, der vom Tonbach herangeführt wird. Diese Merkmale passen offenkundig zum Standort des Unteren Hofes, der im Lagerbuch vollständig so beschrieben wird: "Ein Hauß, Hofraithen, Speicher, Schopf und Bleyhmihlen, alles aneinander". Mit der Formulierung "alles aneinander" ist wohl nicht gemeint "unter einem Dach", denn die Hofraite würde dann nicht in die Reihe passen, gemeint scheint vielmehr "alles beieinander", also z. B. um die Hofraite herum. Die Mühle wäre dann in einem besonderen Gebäude am Mühlkanal untergebracht, während das Wohnhaus an anderer Stelle zu suchen ist. Nimmt man die frühesten Flurkarten zu Hilfe, dann kommt für den Standort des Wohnhauses der Mattheisenhof (der ab 1807 die Nummer 8 tragen wird) in Frage und für den Standort der Mühle der Schlehenhof (ab 1807 mit der Nummer 7). Die frühen Flurkarten lassen erkennen, dass es tatsächlich einmal einen Wassergraben am Schlehenhof vorbei gegeben haben muss, der nach dem Bau der Sägmühle (zwischen 1807 und 1837, Nummer 11) noch einige Zeit lang der Bewässerung der Felder gedient haben könnte. Trinkwasser bekam der Untere Hof (und später die beiden getrennten Höfe) "von der holen Aych" herab (Karte). Der Umfang der Feldgüter des Unteren Hofes ist 1668 nicht genau bestimmbar. Nachdem 86 M mehr oder minder präzis beschrieben sind, schließt das Lagerbuch die Aufzählung der Felder von Michel Frey mit folgender Passage: "Fernner gehören zue disem Hof hinder dem Hauß hinauf alle Velder, so diser Zeit zue Waidten genoßen werdten". So weit die Besitzer der vier Reichenbacher Höfe zur Zeit des Lagerbuchs. In drei Fällen werden im Lagerbuch auch die Vorbesitzer der Höfe genannt, und zwar bei
Bei Theus Braun fehlt ein entsprechender Hinweis. In einem Schätzungsregister aus der Zeit um 1635 (XLVII) finden wir die folgenden Besitzer der "Höfer im Thonbach":
Damit haben wir zunächst nur in einem Fall Übereinstimmung zwischen den Angaben im Lagerbuch und dem Schätzungsregister: Hans Seidt (1563 - 1639, F 166) ist der Vorgänger von Thomas Faißt auf einem der beiden Vorderen Höfe, dem Seidtenhof (der jetzt allerdings wohl noch nicht so heißt). Dazu passt, dass Thomas Faißt, der aus Schapbach stammt, die Witwe des früh verstorbenen Georg Seidt (um 1606 - 1645, F 171), eines Sohnes des Hans Seidt, geheiratet hat. Bei Theus Braun ist im Lagerbuch vielleicht deshalb kein Vorbesitzer genannt, weil Sebald Braun (vor 1580 - 1640, F 758) nachweislich sein Vater ist und ein Hinweis auf den väterlichen Vorbesitzer entbehrlich schien. Es darf aber als gesichert gelten, dass Sebald Braun vor seinem Sohn Besitzer des Hinteren Hofes war. Hans Conrad Freyen Wittib und Hans Conrad Frey selbst, der offenbar vor 1635 starb, könnten die Eltern des (Hans) Conrad Frey von dem anderen der beiden Vorderen Höfe aus dem Lagerbuch sein. Doch wissen wir über beide praktisch nichts, noch kommen wir ohne Hilfskostruktion auf Rudolf Möhrlin. Eine Hilfskonstruktion müsste von der Hypothese ausgehen, dass Hans Conrad Freyen Wittib eine Tochter von Rudolf Möhrlin (* vor 1570, F 878) war. Michel Frey schließlich heiratete die Witwe des im Lagerbuch als Vorbesitzer des Unteren Hofes genannten Benedict Mast (1615 - 1655, F 73), der seinerseits 1640 die Witwe des Franz Morlock (um 1601 - vor 1640, F 50), der im Schätzungsregister belegt ist, geheiratet hat. Damit dürfen drei von vier Zuordnungen an Besitzern der Jahre 1635 und 1668 als belegt gelten, und damit wird auch die vierte Zuordnung (Möhrlin - Frey) eindeutig. Geht man weiter in der Zeit zurück, dann stößt man auf das Steuerbuch des Jahres 1612 (IX) und auf das Schätzungsregister aus dem Jahr 1604 (VI) mit identischen Namensreihen. Drei Namen sind bereits bekannt: Rudolf Möhrlin, Hans Seidt und Sebald Braun; neu ist der Name von Bernhard Tonbacher (* vor 1570, F 879), dessen reicher Besitz der Untere Hof sein müsste. Dazu kommt mit einem mittleren Vermögen, aber ohne Hof Conrad Morlock (* vor 1580, F 51), sehr wahrscheinlich der Vater des Franz Morlock, und schließlich mit Martin Möhrlin (* vor 1580) etwas überraschend ein weiterer, fünfter Hofbesitzer. |
Geschätzte Bürger | 1604 (Hofwert/Vermögenswert) | 1612 | 1635 |
Rudolf Möhrlin - Hans Conrad Freyen Wittib | 1.100 / 2.631 | 2.200 | 1.100 |
Hans Seidt | 500 / 911 | 1.100 | 1.100 |
Sebald Braun | 1.100 / 300 | 1.000 | 1.000 |
Bernhard Tonbacher - Franz Morlock | 1.300 / 1.870 | 1.700 | 1.400 |
Martin Möhrlin | 500 / 250 | 300 | - |
Conrad Morlock | - / 500 | 600 | - |
Tafel 1: Geschätzte Vermögen 1604, 1612 und 1635 (in Gulden) |
Im
Schätzungsregister wird deutlich, dass sowohl Hans Seidt
als auch Martin Möhrlin 1604 nur ein Viertel eines Hofs
besitzen ("hatt nur ain Vierttell ann ainem
Hoff"), dessen Wert jeweils auf 500 Gulden (fl)
geschätzt wird (Tafel 1). Sucht man nach den beiden
anderen Vierteln eines offenbar mehrfach geteilten Hofs,
dann wird man im Schätzungsregister allerdings nicht
fündig. Insbesondere wird Rudolf Möhrlin ein kompletter
Hof mit einem Schätzwert von 1.100 zugerechnet und ein
überraschend hohes Gesamtvermögen von 2.631 fl. Das
könnte darauf hin deuten, dass er vor nicht allzu langer
Zeit Immobilien in beträchtlichem Umfang verkauft hat -
vielleicht an Hans Seidt und Martin Möhrlin. In zwei Fällen liegt 1604 das geschätzte Gesamtvermögen unter dem Schätzwert des Hofes, der offenbar mit Schulden belastet ist. Im Falle des Sebald Braun erklärt das Register auch, warum: er hat seinem Stiefvater Martin Zifflin den Hof für 1.100 fl abgekauft, davon aber nur 180 fl angezahlt. Seine Schuldenlast verringert sich bis 1612 offenbar deutlich, denn jetzt versteuert er ein Vermögen von 1.000 fl (gegenüber 300 fl im Jahr 1604). Martin Möhrlin, Besitzer des einen der beiden Viertelhöfe, scheint indes von seinen Schulden kaum herunter zu kommen, denn sein zu versteuerndes Vermögen ist 1612 mit 300 fl nur wenig höher als 1604 (250 fl) und sehr viel geringer als das von Hans Seidt, Besitzer des anderen Viertelhofs, der sich offenbar etabliert hat. Martin Möhrlin verschwindet denn auch bis 1635 aus dem Kreis der Hofbesitzer, möglicherweise hat Hans Seidt seinen Hofteil übernommen. 1635 haben sich die Vermögenswerte der Hofbesitzer ziemlich angeglichen (Faksimile). Gehen wir noch kurz auf die 1604 und 1612 genannten Personen ein:
In Tafel 2 sind die Hofbesitzer zwischen den Jahren 1604 und 1668 noch einmal übersichtlich aufgeführt |
Hofname | 1604 | 1612 | 1635 | 1668 |
Vorderer Hof (1) | Rudolf Möhrlin | Rudolf Möhrlin | Hans Conrad Freyen Wwe | (Hans) Conrad Frey |
Vorderer Hof (2) | Hans Seidt/Martin Möhrlin | Hans Seidt/Martin Möhrlin | Hans Seidt | (Georg Seidt) Thomas Faißt |
Hinterer Hof | Sebald Braun | Sebald Braun | Sebald Braun | Theus (Matthäus) Braun |
Unterer Hof | Bernhard Tonbacher | Bernhard Tonbacher | Franz Morlock | (Benedict Mast) Michel Frey |
Tafel 2: Die Hofbesitzer zwischen 1604 und 1668 |
3. Vom Lagerbuch (1667/68) zum Tabellarischen Verzeichnis (1769) |
Die Zahl der
Hofbesitzer bleibt, wie schon erwähnt, bis 1769 auf den
Höfen mit vier Personen gleich. Vom Umfang der
Feldgüter her gesehen dominiert mit 80 M nach wie vor
der Untere Hof, während die übrigen Höfe sich im
Felderbesitz einander angeglichen haben: er liegt
zwischen 36 und 40 M (XXXI). Im Tabellarischen Verzeichnis finden wir als ersten Hofbesitzer Johann Andreas Frey (1723 - 1775, F 15), zusammen mit seinem Vater (Adam) Andreas Frey (1694 - 1787, F 6). Liest man den Namen Frey, dann erinnert man sich natürlich an (Hans) Conrad Frey aus dem Lagerbuch 1667/68, der einen der beiden Vorderen Höfe besaß. Doch muss man zunächst aufpassen, denn (Adam) Andreas Frey stammt nicht von den Höfen, sondern aus Schwarzenberg. Er hatte 1716 Maria Agatha Rotfuß (1695 - 1790), die Tochter des Johann Martin Rothfuß (* 1663, F 530) geheiratet. Der Vater war der zweite Mann der Christina, verw. Frey ( 1728), einer Schwiegertochter des (Hans) Conrad Frey. Dessen Sohn und wohl zunächst auch Hoferbe, Johannes Frey (1651 - 1687, F 344), starb schon mit 36 Jahren. Beschränken wir uns auf die männliche Linie, dann haben wir zwischen 1668 und 1769 folgende Besitzer auf dem ersten der beiden Vorderen Höfe, der 1807 die Hausnummer 1 bekommen wird: (Hans) Conrad Frey => Johannes Frey/Johann Martin Rothfuß => (Adam) Andreas Frey => Johann Andreas Frey. Besitzerin wahrscheinlich des zweiten Vorderen Hofs, 1807 mit der Nummer 2, ist laut Tabellarischem Verzeichnis "Christian Faißten Wittib". Es handelt sich um Agnes Barbara Ehmann (1735 - 1816), deren Mann, Christian Faißt (1731 - 1768, F 18) gerade verstorben war. Der Schwiegervater und, trotz seines hohen Alters, amtierende Schultheiß, Johann Michael Faißt (1689 - 1770, F 16) hatte den Hof wohl schon lange zuvor übergeben. Agnes Barbara wird noch im Jahr 1769 Mattheis Waltz (1732 - 1784, F 36) aus der Gegend um Alpirsbach heiraten, dessen Nachkommen wir später im Haus 9 finden werden, während Agnes Catharina Faißt (1764 - 1826), die Tochter des Christian, den Hof erben wird. Der im Alter von 37 Jahren verstorbene Christian Faißt war über den Vater, Johann Michael Faißt, und den Großvater Thomas Faißt, jun. (1651 - 1736, F 34) ein Urenkel des Thomas Faißt, sen., den wir aus dem Lagerbuch als Besitzer des zweiten Vorderen Hofs, des Seidtenhofs, bereits kennen. Damit ergibt sich folgende Reihe von Besitzern des "Seidtenhofs" zwischen 1668 und 1769: Thomas Faißt, sen. => Thomas Faißt, jun. => Johann Michael Faißt => Christian Faißt/Christian Faißts Wwe. Der Name Rothfuß ist neu auf den Höfen im Tonbach. Er geht zurück auf Johannes Rothfuß ( 1724, F 466) aus Baiersbronn, der zwischen 1675 und 1679 mit Anna Maria (1655 - 1703) wahrscheinlich eine Tochter des Theus (Matthäus) Braun geheiratet hat. Die Eheschließung fällt in eine vierjährige Lücke, die das Reichenbacher Ehebuch in dieser Zeit hat; daher bekommen wir dort keinen Hinweis auf die Herkunft der Anna Maria. Theus Braun hat aber eine 1755 geborene Tochter mit diesen Vornamen, und Anna Maria, die Frau des Johannes Rothfuß, stirbt 1703 im Alter von 48 Jahren, geboren also 1755 - das stimmt überein. Der Hof, es handelt sich um den Hinteren Hof, den wir Theus Braun zuordnen konnten, geht wohl über den Sohn des Johannes, den älteren Johann Ulrich Rothfuß (1691 - 1734/35, F 270 B), an den Enkel des Johannes, den jüngeren Johann Ulrich Rothfuß (1735 - 1816, F 467), der vielleicht erst nach dem Tod des Vaters geboren wurde, 1769 aber nachweislich unter den Hofbesitzern ist. Verzeichnet ist auch Franz Mast (1701 - 1782, F 342), der zweite Mann der Mutter und Stiefvater des Johann Ulrich, der den Hof wahrscheinlich vorübergehend führte. Die beiden Alten wohnen wohl als Leibdinger auf dem Hinteren Hof (das Leibgedinghaus, später mit der Nummer 4, gibt es 1769 noch nicht). Michel Frey aus dem Lagerbuch war der zweite Mann der Maria, verw. Mast und der Stiefvater des jüngeren Benedict Mast (1653 - 1711, F 33), der zur Zeit des Lagerbuchs den väterlichen Hof noch nicht übernommen haben konnte. Dies geschah wahrscheinlich anlässlich der Hochzeit des Sohnes um das Jahr 1678 (Lücke Ehebuch). Der Untere Hof ging dann über den älteren Johann Adam Mast (1690 - 1758, F 17), Sohn des Benedict, an den jüngeren Johann Adam Mast (1725 - 1816, F 27), Enkel des Benedict, den wir im Tabellarischen Verzeichnis finden. Dieser Johann Adam Mast verfügt 1769 über zwei Häuser. Das müssen nicht zwingend zwei Wohnhäuser sein, denkbar ist auch, dass die (unveränderte) Mühle, die 1668 belegt ist, hundert Jahre später im Tabellarischen Verzeichnis einfach als weiteres Haus gezählt wurde (als Mühle ist sie jedenfalls nicht aufgeführt). Sollten zwei Wohnhäuser gemeint sein, dann könnte man an einen Ausbau der Mühle als ersten Schritt zur Entstehung des Schlehenhofs denken. Ein zweites Wohnhaus setzt in der Regel einen erweiterten Wohnbedarf voraus. Gab es zwischen 1668 und 1769 einen solchen Bedarf? Gehen wir die für diese Zeitspanne genannten Besitzer des Hofes kurz durch (L):
Es könnte also zwischen 1752 und 1769 zwei Gründe gegeben haben für einen Ausbau der Mühle zu einem zweiten Wohnhaus, aus dem schließlich der Schlehenhof hervorging. |
4. Vom Tabellarischen Verzeichnis bis zur Auflösung des Klosteramts (1807) |
1807, also
im gleichen Jahr, in dem das Klosteramt Reichenbach im
neuen Oberamt Freudenstadt aufgeht, wird ein
Brandversicherungsbuch aufgelegt, von dessen Existenz man
weiß, das aber verloren gegangen ist. Gleichwohl ist das
Buch insofern von Nutzen, als bei seiner Aufstellung
erstmals Hausnummern vergeben worden sind, die wir
später, um das Jahr 1840, auch auf den ersten Flurkarten
und im Primärkataster wiederfinden. Auf den Höfen
wurden 1807 die Nummern 1 bis 9 vergeben: Die beiden
Vorderen Höfe bekamen die Nummern 1 und 2 (Karte); beim Hinteren Hof, der die
Nummer 5 erhielt, entstand vor 1807 ein Leibgeding mit
der Nummer 4 und als Abspaltung ein weiterer Hof mit der
Nummer 3. Weiter oben im Tal erhielt die Mahlmühle, die
ebenfalls neu hinzu gekommen war, die Nummer 6 (Karte). Die Nummern 7 und 8 fielen auf
den Schlehenhof, dieser mit der alten Stampfmühle
(Ölmühle), und auf den Mattheisenhof. Talabwärts, etwa
zweihundert Meter von den beiden Höfen entfernt, war
nach 1769 ein weiteres Haus gebaut worden, das die Nummer
9 bekam. Bis 1840, um dies noch zu ergänzen, wurde
oberhalb des Schlehenhofs die neue Öl- und Sägmühle
mit der Nummer 11 und die Werkstatt des Zimmermanns Franz
Jacob Mast mit der Nummer 10 erbaut (Karte). Fragt man nach den Besitzern der Häuser im Jahr 1807, dann versucht man am besten einen Vergleich der Besitzverhältnisse 1769, die im Tabellarischen Verzeichnis dokumentiert sind (XXXI), mit den Verhältnissen um 1840, die im Primärkataster belegt sind (LII). Der Vergleich führt zu den folgenden Ergebnissen: Als Besitzer des Hauses 1, des ersten der beiden Vorderen Höfe (Foto), ist im Primärkataster der Bauer und Anwalt Gottfried Frey (1801 - 1851) eingetragen. Er ist der Enkel des Johann Andreas Frey aus dem Tabellarischen Verzeichnis und der Sohn des Schultheißen Johannes Frey (1757 - 1840, F 1268). Der östliche der beiden Vorderen Höfe ging also in direkter Linie vom Großvater über den Sohn, den wir als Besitzer des Hofs im Jahr 1807 identifizieren, auf den Enkel über. Der Hof ist vom Umfang der Feldgüter her mit knapp 55 M (nach 36 M in den Jahren 1668 und 1769) mittlerweile der größte der Höfe im Tonbach. Haus 2, der Seidtenhof (Foto), ist um 1840 in Händen des (Jacob) Bernhard Seidt (1800 - 1874). Er ist der Enkel des früh verstorbenen Christian Faißt und dessen Ehefrau Agnes Barbara ("Christian Faißten Wittib") aus dem Tabellarischen Verzeichnis und der Sohn des Jacob Bernhard Seidt (1763 - 1827, F 353), der 1785 mit Agnes Catharina Faißt (1764 - 1826) die Tochter des Christian Faißt geheiratet hatte und so in den Besitz des Seidtenhofs kam, der vielleicht ab jetzt diesen Namen trägt. Jacob Bernhard Seidt stammt aus der Igelsberger Linie der Seidts, die sich auf Hans Seidt zurückführen lässt; die Hochzeit ist also gleichsam eine Rückkehr auf den alten Hof des Urahnen. Die Häuser mit den Nummern 3 bis 5 sind 1840 allesamt in Händen von Nachkommen - Söhnen und Enkeln - des Johann Ulrich Rothfuß (1735 - 1816), den wir als Besitzer des Hinteren Hofs, jetzt mit der Nummer 5, bereits kennen. Von seinen zwölf Kindern erreichen immerhin neun das Erwachsenenalter, doch sieben von ihnen (vier Jungen und drei Mädchen) heiraten in andere Ortschaften. 1807 leben neben dem Vater die Söhne Johann Peter Rothfuß (1760 - 1847, F 633) und Jacob Rothfuß (1771 - 1849, F 635) auf den Höfen. Obwohl im Alter elf Jahre auseinander heiraten die beiden Brüder fast zur selben Zeit (1794 und 1795). Gut möglich, dass um diese Zeit die Teilung des Hinteren Hofs erfolgte, zumal der Türsturz des neuen Hofs mit der Nummer 3 die Jahreszahl 1797 trägt. Kurz danach, jedenfalls vor 1807, mag der Vater - er ist gut 60 Jahre alt und wird noch 20 Jahre leben - das Leibgedinghaus mit der Nummer 4 gebaut haben. Orientiert man sich an den Besitzverhältnissen um 1840, dann muss das Haus 3, der neue Hof (Foto), von dem älteren Bruder Johann Peter Rothfuß gebaut worden sein, denn im Primärkataster finden wir seine beiden Söhne Johann Adam (1798 - 1841) und Johann Peter (1809 - 1875) als Besitzer dieses Hauses. Der alte Hintere Hof (Foto) mit der Nummer 5, der später den Namen Klumppscher Hof bekommen wird, ist nach dem Primärkataster in Händen des jüngeren Bruders Jacob Rothfuß, den wir damit als Besitzer 1807 identifizieren, und dessen Sohn Johann Georg (1804 - 1868). Das Leibgeding schließlich mit der Nummer 4 ordnen wir 1807 dem alten Johann Ulrich Rothfuß zu - um 1840 ist es in Händen seines Enkels gleichen Namens. Als Eigentümerin der Mahlmühle (Foto) mit der Nummer 6 verzeichnet der Primärkataster um 1840 "Michael Friedrich Müllers Wittwe von Besenfeld". Wer dieser Michael Friedrich war und ob er die Mühle gebaut hat oder ein Vorgänger, kann ich mit den mir verfügbaren Akten nicht klären, so dass der Besitzer der Mühle im Jahr 1807 offen bleiben muss. |
Haus | 1604 | 1668 | 1769 | 1807 |
1 | Rudolf Möhrlin | (Hans) Conrad Frey | (Adam) Andreas / Joh. A. Frey | Johannes Frey |
2 | Hans Seidt / Martin Möhrlin | (Georg Seidt) Thomas Faißt | Christian Faißts Wwe | Jacob Bernhard Seidt |
3 | - | - | - | Johann Peter Rothfuß |
4 | - | - | - | Johann Ulrich Rothfuß |
5 | Sebald Braun | Theus (Matthäus) Braun | (Franz Mast) Joh. Ulrich Rothfuß | Jacob Rothfuß |
6 | - | - | - | ? |
7 | - | - | (Johann Adam Mast) | Johann Adam Mast |
8 | Bernhard Tonbacher | (Benedict Mast) Michel Frey | Johann Adam Mast | Ludwig Friedrich Mast |
9 | - | - | - | Johannes Waltz |
Tafel 3: Hausbesitzer in ausgewählten Jahren nach den Hausnummern 1807 |
1807 ist der
Untere Hof endgültig geteilt, denn der Schlehenhof
bekommt die Nummer 7; daraus kann man schließen, dass er
als eigenständiges Wohngebäude gezählt wurde und nicht
bloß als Nebengebäude des Mattheisenhofs (Nummer 8).
Doch wer waren die Bewohner? Der alte Johann Mast (1725 -
1816) aus dem Tabellarischen Verzeichnis hatte 15 Kinder,
von denen acht erwachsen wurden. Fünf Kinder heirateten
nachweislich nach außerhalb, ein Sohn starb jung und
wohl unverheiratet, zwei Söhne blieben auf den Höfen:
Johann Adam Mast (1757 - 1843, F 978) und Ludwig
Friedrich Mast (1763 - 1833, F 979). Weil wir um 1840
Nachkommen des Johann Adam, also des älteren Bruders, im
Haus 7 (Schlehenhof) finden, kann man davon ausgehen,
dass dieser das alte Mühlengebäude endgültig zum
vollwertigen Wohnhaus ausgebaut hat. Dies könnte
ungefähr zum Zeitpunkt seiner Hochzeit (1791) geschehen
sein. Hat demnach der jüngere Bruder, zusammen mit dem alten Vater, das Haus 8 (Mattheisenhof) bewohnt? Der Primärkataster liefert dafür keine Bestätigung, denn er führt als Besitzer des Hauses 8 (Johann) Ulrich Finkbeiner (1787 - 1838) und (Wilhelm) Ludwig Finkbeiner (* 1814) auf; der Vater ist auch als Besitzer der neuen Öl- und Sägmühle mit der Nummer 11 genannt. Betrachtet man die Lebensdaten, dann ist es unwahrscheinlich, dass der Vater 1807 oder gar zuvor schon auf dem Mattheisenhof saß. Genauere Auskunft gibt das Familienregister (L): Danach stammt (Johann) Ulrich Finkbeiner aus Baiersbronn, war dort Ochsenwirt und Beck und ließ sich erst 1822 auf den Höfen nieder, wo er zugleich für drei Jahre (1823 - 1826) das Schultheißenamt übernahm. 1822 ist auch das Todesjahr von Georg Friedrich Mast (1792 - 1822), des einzigen Sohnes von Ludwig Friedrich Mast, den wir als Besitzer des Mattheisenhofs 1807 vermuten. Auch Georg Friedrich Mast war, trotz seines jugendlichen Alters, aber wie schon der Großvater, Schultheiß auf den Höfen. Fasst man die Erkenntnisse zusammen, dann ergibt sich folgendes Bild: Haus 7, der Schlehenhof (Foto), wurde spätestens vom jüngeren Johann Adam Mast, wahrscheinlich 1791 oder kurz danach, zum vollwertigen Wohnhaus ausgebaut und von diesem und seiner Familie bewohnt; die Mühle wurde wahrscheinlich weiter betrieben bis zum Bau der neuen Mühle nach 1807. Der Mattheisenhof (Foto) mit der Nummer 8 wurde vor und nach 1807 von Ludwig Friedrich Mast und wohl auch von dem alten Vater bewohnt. 1822, nach dem frühen Tod des Georg Friedrich Mast, ging der Mattheisenhof über in die Hand von (Johann) Ulrich Finkbeiner, der wahrscheinlich erst jetzt die neue Öl- und Sägmühle bauen lässt. Der Sohn (Wilhelm) Ludwig Finkbeiner wandert 1848 "nach Amerika" aus, daher sind seine Lebensdaten bei uns unvollständig. Kommen wir noch kurz auf das Haus 9 zu sprechen: Es ist um 1840 im Besitz von Johann Adam Waltz (1799 - 1855) und Georg David Haist (1798 - 1870), der 1829 Elisabeth Waltz (1805 - 1844), die Schwester des Johann Adam, geheiratet hatte. Die beiden Geschwister sind Enkelkinder des Mattheis Waltz (1732 - 1784, F 36), dem zweiten Mann von "Christian Faißten Wittib" auf dem Seidtenhof (vgl. Abschnitt 3). Während der Hof, wie wir gesehen haben, mit Agnes Catharina Faißt an Jacob Bernhard Seidt ging, scheint Johannes Waltz (1778 - 1848, F 853), der Sohn aus zweiter Ehe, mit der Ausgründung eines neuen Hofs (Foto), der 1807 die Nummer 9 erhielt, abgefunden worden zu sein. Tafel 3 bietet noch einmal eine Übersicht über die Besitzverhältnisse auf den Höfen im Jahr 1807 und in drei ausgewählten Jahren zuvor. |
Internetversion:
02/09 Aktualisierung: 02/09 |
Der Buchstabe F mit nachfolgenden Ziffern verweist auf das Ortssippenbuch von G.Frey (1987) |